Die Welt im Konkurrenzkampf um die billigsten Lebensmittel.

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Ann-Helen Meyer von Bremen und Gunnar Rundgren:
Foodmonopoly. Das riskante Spiel mit billigem Essen
240 Seiten
Oekom Verlag

Foto: APA/Peter Kneffel

Jeder siebte Mensch hungert. Mindestens noch einmal so vielen fehlen die Nährstoffe für eine ausgewogene Ernährung. In 40 Jahren muss die Landwirtschaft zudem weitere zwei bis drei Milliarden Menschen ernähren. Ist eine industrielle Landwirtschaft mit Gentechnik, Massentierhaltung und Pestiziden für eine globale Ernährungssicherung ohne Alternative? Nein, meinen Ann-Helen Meyer von Bremen und Gunnar Rundgren in ihrem neuen Buch "Food Monopoly".

Für ihre Argumentation verzichten die schwedischen AutorInnen weitgehend auf Dogmatismus. Auf Kritik an "üblichen Verdächtigen", wie großen Nahrungsmittelkonzernen wird zu Gunsten lebendiger Geschichten verzichtet. Stattdessen schildern sie in Form kurzer Reportagen den Alltag von Kleinbauern in Sambia oder Indien, fahren zu Rinderzüchtern nach Brasilien, öffnen die Tore der großen Gewächshäusern in Holland und besuchen die "Chicago Mercantile Exchange", die größte Rohstoffbörse der Welt.

Sie zeichnen durch die Geschichten den Kreislauf nach, wie unsere Nahrung angebaut, geerntet, gehandelt, konsumiert und transportiert wird. Dabei wird nach und nach heraus geschält, wie tiefe Preise für Nahrung zu Stande kommen: Denn ökologisch und soziale Kosten werden nicht abgegolten.

Ochse gegen moderne Technik

Die kleine Weltreise lässt Querverbindungen herstellen. So wird etwa Susan Makandawire aus Sambia vorgestellt. Ihr Maisfeld ist knapp einen halben Hektar groß, sie bearbeitet es mit einer Hacke. Zum Pflügen mietet sie sich ein Ochsengespann. Im vergangenen Jahr betrug die Ernte rund eine Tonne.

Wenn das Geschäft gut läuft, hat ihre Familie bis zu sechs Euro pro Woche zur Verfügung. Sie leiden keinen Hunger, aber es geht sich gerade aus, davon das Schulgeld für ihre fünf Kinder zu bezahlen. Makandawires größte Sorge: "Wenn jemand krank wird, was dann?"

Indirekt ist sie durch die Globalisierung der Nahrungsmittelproduktion gezwungen, preislich gegen Bob Stewart in Illinois anzutreten, der eine Farm mit mehr als 3.000 Hektar betreibt, berichtet Ann-Helen Meyer von Bremen im Gespräch mit derStandard.at: "Um es plakativ auszudrücken: Sie konkurriert mit ihrer Muskelkraft gegen seine moderne Technik."

Mangel an gerechter Verteilung

Als wichtigstes Argument für industrialisierte und globalisierte Landwirtschaft fällt meist das rasante Bevölkerungswachstum. Eine Diskussion mit einer langen Geschichte: Bereits 1798 war der britische Nationalökonom Robert Malthus der Auffassung, dass die Erde nicht mehr die Weltbevölkerung ernähren kann. Damals lebte eine knappe Milliarde Menschen.

Im Jahr 1968 wurde das Thema von Paul Ehrlich mit seinem Buch "Die Bevölkerungsbombe" wieder aufgegriffen. Damals war die Weltbevölkerung bereits auf dreieinhalb Milliarden angewachsen, heute leben mehr als doppelt so viele Menschen.

Von Bremen und Rundgren lassen das nicht gelten. Tatsächlich stand der Menschheit insgesamt noch nie so viel und so preiswerte Nahrung zur Verfügung wie heute. Die Menge der vorhandenen Kalorien übersteigt den Bedarf um das Doppelte. Laut Zahlen der WHO waren im Jahr 2008 bereits 1,4 Milliarden Menschen übergewichtig.

Illusion der Vielfalt

Die Auswahl in westlichen Supermarkt erscheint grenzenlos, tatsächlich wird die Ernährung immer eintöniger. Die Vielfalt an Lebensmittel ist inzwischen eine Illusion. Die AutorInnen nennen ein Beispiel: Früher gab es Feta-Käse nur in Griechenland. Heute gibt es ihn in zahlreichen Variationen, geschmacklich lässt sich jedoch kaum ein Unterschied erkennen. Es werde nicht mehr um Qualität konkurriert, sondern um Preis, Verpackung und Image des Produkts.

Die große Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, über Generationen angebaut und gezüchtet, verschwindet. Mit nur drei Getreidesorten - Weizen, Mais und Reis - werden heute 60 Prozent des weltweiten Kalorienverbrauchs gedeckt. "Nur noch zwei Hühnerrassen dominieren den Markt. Nur noch eine Milchkuhrasse erobert die Welt”, sagt vom Bremen. In den vergangenen 100 Jahren sind 75 Prozent des Reichtums an Gemüse- und Nutztierarten verloren gegangen, berichtet die Autorin.

Kein weiteres Untergangsszenario

Insgesamt liefern die AutorInnen dennoch kein weiteres globales Untergangsszenario, sondern geben mit ihren Reportagen Ideen, wie eine andere Landwirtschaft möglich ist. Von Bremen und Lundgren sind überzeugt, dass ökologischer Landbau der Aufgabe der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung gewachsen ist. Damit hebt sich "Food Monopoly" von vielen aktuellen Publikationen ab, die sich aktuell mit Ernährungsgerechtigkeit und Ökologie beschäftigen.

"Wenn man einen Schritt weiter denkt, kann ein gerechtes Nahrungsmittelsystem nur funktionieren, wenn kein Wettbewerb am Weltmarkt stattfindet", sagt die Schwedin. Denn reine Marktwirtschaft kann ihrer Meinung nach wenig Rücksicht auf gutes Essen, das Wohlergehen von Nutztieren, Umweltschutz, eine unberührte Landschaft oder Biodiversität nehmen. (jus, derStandard.at, 16.9.2014)