Die Auswirkungen von Suizidversuchen auf die spätere Teilhabe der Betroffenen am Arbeitsmarkt wurden den Forschern zufolge bisher unterschätzt.

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Wien - Menschen, die in Jugendjahren einen Suizidversuch unternehmen, haben später schlechtere Aussichten auf eine berufliche Karriere. Das zeigt eine aktuelle Studie, die das schwedische Karolinska Institutet und die MedUni Wien gemeinsam durchgeführt haben. Vielen Menschen mit einem oder mehreren Suizidversuchen drohe später die Langzeitarbeitslosigkeit, so die Forscher. Außerdem stellen sie überdurchschnittlich viele Langzeitkrankenstände und Invaliditätspensionen.

Bereits in der Vergangenheit hatten Studien gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Suizidversuchen junger Menschen und späterer Arbeitslosigkeit gibt. Doch die Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang der Betroffenen sind offenbar stärker als bisher angenommen.

Erstmals belegt

Die im renommierten "International Journal of Epidemiology" publizierte Untersuchung zeigt etwa, dass Menschen, die im Alter zwischen 16 und 30 Jahren einen oder mehrere Suizidversuche verüben, später ein 1,6-fach gesteigertes Risiko einer Langzeitarbeitslosigkeit haben. Noch größer - und erstmals belegt - ist das Risiko eines Langzeitkrankenstandes (2,2 fach gesteigert) und einer Invaliditätspension (4,6-fach gesteigert).

Langzeitarbeitslosigkeit wurde dabei als Arbeitslosigkeit definiert, die länger als 180 Tage im Jahr andauert, als Langzeitkrankenstände wurden mehr als 90 Tage Krankenstand im Jahr verstanden.

Gilt auch für Österreich

"Diese Risiken gelten für die schwedische Bevölkerung, auf Basis derer wir die Analyse durchführten", sagt Autor Thomas Niederkrotenthaler vom Institut für Sozialmedizin der MedUni Wien. "Es ist aber davon auszugehen, dass die identifizierten Risikomuster im Wesentlichen auch für Österreich und andere Länder mit hochentwickelten Sozialsystemen Gültigkeit haben."

Die Auswirkungen von Suizidversuchen auf die spätere Teilhabe der Betroffenen am Arbeitsmarkt seien bisher beträchtlich unterschätzt worden, so der Wissenschafter. Dies liege daran, dass man sich bisher meist nur die Auswirkungen auf eine mögliche Langzeitarbeitslosigkeit angesehen hatte. "Dabei zeigt sich, dass Suizidversuche auch einen starken Effekt auf Krankenstände und Invaliditätspensionen haben."

Invaliditätspension kann Gesundheit schädigen

Menschen, die in Invaliditätspension gehen, scheiden damit oft endgültig aus dem Arbeitsmarkt aus. Dieser Effekt ist häufig selbst gesundheitsschädigend: Mangelnde Perspektiven sowie ein fehlendes soziales Netzwerk mit Kollegen können negative psychosoziale Auswirkungen haben. Zwar ist es in Österreich seit heuer leichter, aus der Invaliditätspension ins Berufsleben zurückzukehren. Ob die Maßnahmen wirken, müssen aber zukünftige Studien zeigen.

Angesichts der aktuellen Ergebnisse müsse man die Hintergründe, die zur Marginalisierung am Arbeitsmarkt führen, besser verstehen, fordert Studienleiterin Ellenor Mittendorfer-Rutz vom Department of Clinical Neuroscience am Karolinska Institutet. (red, derStandard.at, 8.9.2014)