Zankapfel Einspeisung in Kabelnetze: Die technische Reichweite von ATV 2 betrage derzeit nur 72 Prozent.

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Wien - ATV beendet seine Mitgliedschaft im Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Per offenem Brief kritisiert der Sender, dass im Verband aus Sicht von ATV "keine Arbeit mehr im Sinne des Vereinszweck" erfolge. Und: "Zudem wurden gravierende Missstände und Unvereinbarkeiten trotz massiver Urgenz unsererseits nicht beseitigt."

ATV moniert, dass der "VÖP offenkundig ausschließlich die Interessen der Sendergruppe Pro7 Austria / Puls 4 / Sat1 Österreich wahrnimmt". Konkret geht es ATV um eine gesetzliche Verankerung der so genannte Must-Carry-Regelung. Diese würde garantieren, dass österreichische Kabelnetzbetreiber dazu verpflichtet wären, alle heimischen Privatsender ins Programm aufzunehmen. Bei den ORF-Programmen ist das der Fall.

ATV 2 nicht überall verfügbar

ATV 2 ist beispielsweise nicht über alle Plattformen empfangbar. Im Gegensatz zur ProSieben Sat.1-Gruppe, die mit allen Kanälen vertreten ist. Der VÖP habe das Anliegen auf Betreiben von Puls 4 & Co. nicht weiter verfolgt, lautet ein Kritikpunkt. ATV habe selbstständig bei der Politik vorstellig werden müssen, um die Forderung zu deponieren.

Laut Angaben von ATV gegenüber derStandard.at betrifft das Vakuum vor allem ATV 2 analog. Eingespeist ist der Sender zwar überall digital, nicht aber analog bei UPC und Liwest sowie 90 anderen Kabelnetzen. "Ohne die analoge Einspeisung bei UPC und Liwest können wir unsere technische Reichweite nicht wesentlich erhöhen", so ATV. Derzeit liege sie bei nur 72 Prozent.

ATV-Senderchef Martin Gastinger erklärt: "Der VÖP hat sich in den letzten Jahren immer weiter davon entfernt, sich für die Interessen des österreichischen Privatfernsehens einzusetzen. Weil wir uns vom Verband nicht mehr vertreten fühlen, ziehen wie die Konsequenz und treten aus."

Auseinandersetzung mit ORF im Fokus

Der Konflikt zwischen ATV und VÖP hat sich bereits im Vorjahr abgezeichnet, als Gastinger das Fehlen des Themas Must Carry in der vom Privatsenderverband präsentierten "Agenda 2014" heftig kritisierte. Schon damals hatte ATV-Eigentümer Herbert Kloiber einen möglichen Austritt seines Senders aus dem Verband in Aussicht gestellt. Zuletzt habe sich die Vereinstätigkeit "auf mediale Auseinandersetzungen mit dem ORF reduziert", wird nun nachgelegt. Der letzte Jour-Fixe zwischen VÖP und der Medienbehörde RTR sei etwa "für die Puls 4-Beschwerde bei der KommAustria missbraucht" worden, die den Erwerb der UEFA Champions League-Rechte durch den ORF zum Inhalt hat.

Die "tendenziöse Haltung" des VÖP äußerte sich außerdem in dessen Personalpolitik, da ein Mitarbeiter Gutachten für die ProSiebenSat.1 Puls 4-Gruppe erstellt habe und ein "anwaltlicher Vertreter des VÖP für TV Belange zugleich deren Vertreter" sei, was für ATV einen Interessenskonflikt darstelle. Der Verband sei aber nicht bereit, "seinen derzeit eingeschlagenen Weg zu korrigieren".

VÖP bedauert Austritt

Als "bedauerlich" bezeichnete Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP), den Ausstieg von ATV aus dem Verband. "Es ist immer schade, wenn ein Mitglied nicht mehr dabei sein möchte", erklärte sie. "Wir werden uns in unserer nächsten Vorstandssitzung ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen." Auf die konkreten Vorwürfe wollte sie nicht eingehen.

"Wir werden ATV natürlich antworten, aber nicht in einer öffentlichen Form via Aussendung", hielt Drumm fest. "Wie in unserem Verband üblich, machen wir das in direktem Kontakt." Schließlich mache es "wenig Sinn", die offenbar "unterschiedlichen Sichtweisen" über Presseaussendungen oder Stellungnahmen in Medien ausdiskutieren zu wollen. "Das ist nicht zielführend und es lässt sich dadurch keinerlei Differenz beseitigen."

ORF bietet ATV Zusammenarbeit an

Wenig überrascht über den Austritt von ATV aus dem heimischen Privatsenderverband VÖP zeigte sich ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. "Dieser Schritt von ATV hatte sich ja bereits abgezeichnet und er entlarvt den VÖP endgültig als das, was er ist: eine reine Lobbying-Organisation der großen deutschen Kommerzsender-Gruppen und deren Werbefenster in Österreich."

Gleichzeitig stellte er ATV eine Zusammenarbeit in Aussicht. "Der ORF ist sehr daran interessiert, mit ATV, aber auch anderen österreichischen privaten Medien- und Content-Anbietern, zusammenzuarbeiten und auch gemeinsame Interessen gemeinsam zu vertreten. Und diese Interessen sind definitiv andere als jene der deutschen Werbefenster in Österreich", so Wrabetz.

42 Radio- und TV-Sender

Der Verband Österreichischer Privatsender wurde 1993 als Interessensvertretung privater Radiosender gegründet, bevor im Laufe der Zeit private TV-Veranstalter hinzu kamen. Gab es ursprünglich sieben Mitgliedsmedien, so vereinte der VÖP vor dem Ausstieg von ATV insgesamt 42 Radio- und TV-Sender sowie zusätzlich zwei Werbevermarkter von privaten Rundfunkveranstaltern. Vorsitzender des Verbands ist derzeit Klaus Schweighofer, als Stellvertreter fungiert Puls 4-Chef Markus Breitenecker - und bis zum heutigen Montag Gastinger. Mit ATV verliert der VÖP den ältesten österreichischen Privatfernsehsender und einen wesentlichen Player am Markt. (red, APA, 8.9.2014)