Eine Krankenschwester behandelt einen Ebola-Verdachtsfall in einem Zentrum in Kailahun, Sierra Leone.

Foto: Foto: MSF / Sylvain Cherkaoui

Monrovia/Wien - Täglich werden 15 bis 20 Patienten im Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in der liberianischen Stadt Monrovia abgewiesen. "Es gibt einfach zu wenig Platz", sagt der Niederösterreicher Thomas Rassinger, der als Logistiker für die Hilfsorganisation vor Ort ist. Zwar akzeptiere die Bevölkerung immer mehr, dass das gefährliche Ebola-Virus in Westafrika real ist. Doch würden viele Patienten entweder zu spät in die Kliniken kommen oder gar nicht erst aufgenommen werden können.

Die Symptome des Virus wie Gliederschmerzen, Kopfweh und Fieber sind laut dem Logistiker so häufig, dass die Menschen sie zu spät bemerken: "Das macht diese Epidemie so teuflisch."

"Die Uhr tickt, und Ebola gewinnt", sagte Joanne Liu, die Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen International, vergangene Woche vor den Vereinten Nationen. Sie forderte vor allem den Einsatz von Staaten, die über Katastropheneinsatzteams für biologische Notfälle verfügen.

In Liberia wurden mittlerweile mehrere Communitys unter Quarantäne gestellt.
Storyful, World Food Programme

Dem schließt sich auch die Grazer Psychologin Sylvia Wamser an, die vor kurzem in Sierra Leone die nationalen Mitarbeiter betreut hat. Vor allem der Austausch der internationalen Hilfskräfte funktioniert aufgrund des stark reduzierten Flugverkehrs nicht gut, sagt Wamser. Die Freiwilligen vor Ort würden an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen.

Krankenhauspersonal fehlt

Das Krankenhaus in Gondoma musste die Geburtenstation schließen, um die Mitarbeiter zu schützen. "Komplizierte Schwangerschaften mit starkem Blutverlust können eine Gefahr sein", so die Psychologin. "Die Ebola-Diagnose dauert nämlich zwei Tage." Medizinische Mitarbeiter vor Ort würden sich nicht mehr in die staatlichen Spitäler trauen, weil sie Angst vor einer Infektion haben, das Gesundheitssystem kollabiere, erzählt Rassinger. Behandelbare Krankheiten abseits von Ebola würden tödlich enden.

In Spitälern liegen teilweise die Leichen in den Gängen, weil das Personal fehlt. Ein Problem sei laut Rassinger gewesen, dass der Slum in Monrovia für zehn Tage unter Quarantäne gestellt worden war. "Solch eine Aktion hilft nicht, wenn es auch außerhalb des Gebiets Infektionsfälle gibt", sagt der Logistiker. Die Menschen innerhalb des Slums hätten noch mehr Angst bekommen, wenig Nahrungsmittel erhalten und ihre Leichen nicht fachgerecht beerdigt.

Um gezielt gegen die Epidemie vorgehen zu können, hat die Regierung im westafrikanischen Sierra Leone ab 19. September eine dreitägige Ausgangssperre angekündigt. In dieser Zeit soll Fachpersonal nach Ebola-Patienten suchen, die bewusst von Angehörigen versteckt werden.

In den Spitälern von Ärzte ohne Grenzen fühlten sich die nationalen Mitarbeiter geschützt, erzählt Wamser. Die strengen Vorsichtsmaßnahmen würden ein Gefühl von Sicherheit geben. Nur die Angst um die Familie zu Hause bleibe: "Da tauchen Fragen auf wie: 'Waschen sich meine Kinder die Hände? Passen sie auf?'"

Die Belastung für die freiwilligen Helfer ist laut Wamser groß. Die Einsatzdauer bei Ärzte ohne Grenzen beträgt deshalb maximal acht Wochen anstatt mehrerer Monate.

Mehr als 2.000 Todesopfer

Die größte Ebola-Epidemie der Geschichte begann vor acht Monaten in Guinea und breitete sich nach Sierra Leone, Liberia und Nigeria aus. Einen weiteren Ausbruch gibt es im Ostkongo. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind fast 4.000 Menschen in Westafrika mit Ebola infiziert, die Zahl der Toten ist auf fast 2.100 gestiegen. Am Freitag gab die WHO grünes Licht für den Einsatz experimenteller und noch ungetesteter Wirkstoffe. Die Sicherheit von zwei Impfstoffen, die noch in der Erprobungsphase sind, soll im November feststehen. (Bianca Blei, DER STANDARD, 8.9.2014)