Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll bekräftigt das Nein der ÖVP zu Vermögenssteuern und schlägt in der Schulpolitik einen Pfosten ein: Bewegung und Veränderung ist gut, aber das Gymnasium muss bleiben.

Der Standard/Fischer

"Es wird jetzt wieder mehr Offensive spürbar, es gibt diesen Erfolgswillen, der nicht aus der Defensive heraus konstruiert wird", sagt Erwin Pröll.

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STANDARD: Sie gelten als das böse Krokodil der heimischen Innenpolitik: gefürchtet, sehr einflussreich, der Strippenzieher im Hintergrund. Schmeichelt Ihnen diese Einordnung, oder ärgert Sie das?

Pröll: Weder das eine noch das andere. Die Bilder, die es von mir gibt, zeichnen andere. Es ist doch bekannt, wie ich arbeite, warum ich so arbeite, ich mache meine Arbeit aus Überzeugung.

STANDARD: Wie weit reicht Ihr Einfluss tatsächlich?

Pröll: Nicht weiter und nicht weniger weit als der Einfluss anderer Landeshauptleute und jener, die regieren, auch. Ich trage Verantwortung. Vielleicht bin ich im Formulieren pointierter als andere. Ich bin einer, der die Dinge beim Namen nennt und nicht lange herumredet.

STANDARD: Bei der jüngsten Regierungsumbildung haben wieder alle nach St. Pölten geschielt: Was wird Erwin Pröll sagen? Man hatte den Eindruck, dass Sie mit der Bestellung von Hans Jörg Schelling zum Finanzminister nicht glücklich waren, dass sich der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner über Sie hinweggesetzt hat. Schelling war nicht Ihr Favorit, oder?

Pröll: Das ist eine Fehlinterpretation. Es gibt die einen, die sagen, ich hätte Einfluss verloren, andere meinen, es ist alles am Wort in St. Pölten dingfest gemacht worden. Bleiben wir bei den Fakten: Ich war natürlich – wie es einem Landeshauptmann von Niederösterreich zusteht - eingebunden, zwar nicht vor Ort, aber telefonisch. Es hat auch ein zweistündiges Vieraugengespräch zwischen dem neuen Parteiobmann und mir gegeben, als ich zurückgekommen bin. Das war in der Analyse und in den Überlegungen hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise sehr konsequent und harmonisch. Ich habe auch mit dem neuen Finanzminister gesprochen, ich kenne Schelling schon aus seiner Zeit in der niederösterreichischen Privatwirtschaft.

STANDARD: Das war nicht immer ganz friktionsfrei, oder?

Pröll: Wir hatten einmal eine sachliche Auseinandersetzung, das stimmt. Aber das tut nichts zur Sache. Eine Personalentscheidung wie diese, das ist ja keine Brautschau, wo Emotionen den Ausschlag geben. Das ist eine sehr sachbezogene und nüchterne Angelegenheit. Der Beste ist gerade gut genug. Dass Schelling ein exzellenter Mann ist, hat er in der Vergangenheit schon gezeigt. Es hat aber auch alternative Überlegungen gegeben, gar nicht so sehr von mir, sondern vom Parteiobmann selber. Das ist auch legitim.

STANDARD: Die schwarzen Landeshauptleute hatten in den letzten Wochen und Monaten konsequent am Stuhl von Parteichef Michael Spindelegger gesägt. Als dieser dann zurückgetreten ist, waren alle überrascht. Hat die ÖVP als Ganzes überhaupt noch einen Plan und eine Idee, oder fahren neun Länder und sechs Bünde ihre eigene Linie?

Pröll: Die Performance der Bundespartei hat in den Bundesländern, die unmittelbar vor Wahlen stehen, nicht Anlass zu großer Freude gegeben, das ist überhaupt keine Frage. Das ist dort und da formuliert worden, allerdings nicht erst in den letzten Wochen, sondern schon seit längerer Zeit. Die Dinge beim Namen zu nennen ist eine wesentliche Aufgabe in der Politik. Gerade diese Regierungsumbildung hat aber gezeigt, dass weder der bündische noch der regionale Einfluss die Entscheidungen diktiert. Der Parteiobmann, das wurde ihm zugestanden, kann sein Team selber gestalten. Personalangelegenheiten sind Chefsache. Das, was ich für mich in Anspruch nehme, muss ich auch einem anderen zubilligen. Zur Partei: Die Volkspartei hat einen Plan. Als föderale Partei mit entsprechenden Strukturen hat die ÖVP auch gelernt, miteinander zu diskutieren. Das Einzige, wo es bei uns tatsächlich ein wenig eckt: Es wird viel zu früh mit den Diskussionen nach außen gegangen, bevor das intern angesprochen wurde.

STANDARD: Michael Spindelegger galt als Pröll-Mann. Mitterlehner ist das nicht.

Pröll: Das sind doch Klischees. Spindelegger kenne ich länger, das stimmt, aber das ist kein Wunder, er ist ein Niederösterreicher. Für mich ist Mitterlehner genauso ein zu unterstützender Parteiobmann, wie Spindelegger das war. Wenn Sie meinen, dass Spindelegger mein Mann war, dann sag ich Ihnen gleich, dass auch Mitterlehner mein Mann ist.

STANDARD: Für welche Werte steht denn die Volkspartei noch?

Pröll: Die Volkspartei steht auf alle Fälle für Leistung, für Familie und für christlich-soziale Werte. Das spreche ich bewusst an. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diejenigen, die meinen, christlich-soziale Parteien seien ein Auslaufmodell, sich irren. Schauen Sie die Christdemokraten unter Merkel in Deutschland an, in Bayern, in Niederösterreich. Das ist nicht gottgewollt, dass christlich-soziale Parteien von der Landkarte verschwinden. Es kommt darauf an, in welcher Art und Weise die Verantwortungsträger in dieser Gesinnungsgemeinschaft arbeiten. Da gibt es ein paar Grundregeln: hart arbeiten, klar in der Linie, nah am Bürger.

STANDARD: Das spricht nicht unbedingt für Ihre Bundespartei. In Niederösterreich haben Sie zuletzt 50 Prozent gemacht, auf Bundesebene waren es nur 24 Prozent, in Umfragen waren es 20 Prozent. Werden Ihre Regeln auf Bundesebene nicht eingehalten?

Pröll: Ich würde doch darum bitten, dass wir der ÖVP auf Bundesebene nicht die Zukunft absprechen. Sie werden merken, dass sich durch die neue personelle Konstellation schon einiges geändert hat. Die ÖVP hat auf Bundesebene alle Chancen, den Weg nach vorne zu finden. Es wird jetzt wieder mehr Offensive spürbar, es gibt diesen Erfolgswillen, der nicht aus der Defensive heraus konstruiert wird, sondern gelebt wird.

STANDARD: Die ÖVP hat ihren "Evolutionsprozess" neu aufgesetzt, es soll ein neues Parteiprogramm her. Was muss denn die ÖVP tun, um mehr Profil zu entwickeln?

Pröll: Wir müssen schauen, wo es die Notwendigkeit gibt, an die gesellschaftlichen Grundbedürfnisse von heute und morgen heranzukommen, ohne die wesentlichen Grundsätze des Christdemokratischen zu verletzten. Ich weiß, das klingt sehr allgemein, aber das ist jetzt die Aufgabe dieses Evolutionsprozesses. Wir müssen uns verändern, ohne die Grundangeln der Partei auszuhebeln.

STANDARD: Der neue Parteichef hat bereits ein paar Themen angesprochen. In das Thema Steuerreform scheint Bewegung zu kommen, Mitterlehner hat Bereitschaft signalisiert, auch über eine Gegenfinanzierung zur Senkung der Lohnsteuern zu reden. Ist die Reichensteuer in der ÖVP jetzt kein Tabuthema mehr?

Pröll: Mit diesem Ausdruck setz ich mich gar nicht auseinander, weil jeder etwas anderes darunter versteht. Das ist auch gar nicht der Punkt. Der neue Finanzminister hat bereits gesagt, dass der Eingangssteuersatz gesenkt werden soll ...

STANDARD: ... worüber sich die Koalitionsparteien bereits einig sind.

Pröll: Das ist ja schon etwas. Ich bin sehr froh darüber, dass sich Mitterlehner und Schelling nicht auf irgendwelche Platitüden reduzieren. Es geht in erster Linie darum, eine Steuerreform auf den Boden zu bringen, die eine Entlastung bringt und auch den Wirtschaftsstandort Österreich wieder kalkulierbar macht. Diese Art der Steuerdiskussion, wie sie zuletzt geführt wurde, hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Unsicherheit in der Unternehmerschaft größer geworden ist. Das hat auch Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Diese Diskussion hat Österreich mit Sicherheit geschadet.

STANDARD: Man kann sich aber leicht ausrechnen, dass es ganz ohne Gegenfinanzierung nicht gehen wird. Was ist Ihre Position zu einer Vermögenssteuer?

Pröll: Das ist ganz einfach: Es wird sie nicht geben. Das ist eine klare Festlegung, da gibt es de facto Einhelligkeit in der Partei: Vermögensbezogene Steuern wird es nicht geben. Ich warne davor, die Reform ständig an solchen Reizworten dingfest machen zu wollen. Es ist wichtig in einer Koalition, dass ein Partner den anderen nicht überfordert. Dieses Wort richte ich an den Herrn Bundeskanzler. Denn führen heißt zusammenführen und nicht Zwietracht säen. Das muss auch der Hauptverantwortliche in der Regierung, der Bundeskanzler, wissen. Es ist wichtig, dass man auch auf den Regierungspartner entsprechend eingeht. In einer Regierungskonstellation muss die gemeinsame Pflicht die Oberhand haben. Diese gemeinsame Pflicht des Regierens gilt auch vor Parteitagen. Ich weiß schon, die reinen Parteiinteressen können unter Umständen mit den Staatsinteressen kollidieren. Wer aber Regierungsverantwortung trägt, muss wissen, er ist auf die Verfassung der Republik vereidigt und nicht auf sein Parteistatut.

STANDARD: Die ÖVP signalisiert jetzt auch im Bildungsbereich Bereitschaft zur Bewegung. Kann das eine Abkehr vom Spindelegger-Kurs, das Gymnasium muss bleiben, bedeuten?

Pröll: Lösen wir uns in der Diskussion von den extremen Positionen. Für mich ist das Wichtigste die Entbürokratisierung des Schulwesens. Die Pädagogen brauchen wieder mehr zeitlichen Raum, um sich tatsächlich um die Kinder zu kümmern. Da sind auch Rationalisierungseffekte vom Finanziellen her drinnen. Ansätze hat es genug gegeben, die sind leider aufgrund der vorangegangenen Unterrichtsministerin im Sand verlaufen. Wir müssen einen pragmatischen Weg gehen, das ist überhaupt keine Frage. Das Gesellschaftsbild hat sich geändert, auch das Bild der Familie, dem muss im Bildungswesen Rechnung getragen werden. Die Nachmittagsbetreuung ist eine wichtige Facette, da muss man den Bedürfnissen der Eltern entgegenkommen. Die öffentliche Hand darf nicht der Diktator sein, sie muss der Partner der Familien sein. Sie muss auch organisatorische Möglichkeiten anbieten, um dieser Partner sein zu können. Wenn dieser Grundsatz bei der Weiterentwicklung des Schulwesens hochgehalten wird, sehe ich keine allzu großen Probleme. Eines ist aber sicher: Das Gymnasium muss bleiben. (Michael Völker, DER STANDARD, 8.9.2014)