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Von der 200.000 Exemplare starken Startauflage von "Merci pour ce moment" wurden am ersten Tag bereits 25.000 verkauft.

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Fast masochistisch stellt Valérie Trierweiler in ihrem Buch zur Schau, wie ihre neunjährige Beziehung mit François Hollandes zum französischen Staatschef in die Brüche ging.

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Paris - Die Bitterkeit spricht aus dem Titel: "Merci pour ce moment", "danke für diesen Moment" ist die Abrechnung einer Frau mit einem, wie sie schreibt, einst "leidenschaftlich geliebten Mann". Einen Sommer lang hat sie sich unter größter Geheimhaltung den Schmerz von der Seele geschrieben; fast masochistisch stellt sie zur Schau, wie ihre neunjährige Beziehung zum französischen Staatschef in die Brüche ging und sie mit einem Nervenzusammenbruch im Spital landete, als sie von der Affäre François Hollandes mit der Schauspielerin Julie Gayet erfuhr. Ihre Rache ist nicht süss, sondern furios und furchtbar, sie setzt dort an, wo es dem Präsidenten am ehesten wehtut

So zertrümmert Trierweiler das Image Hollandes eines jovialen, sozial denkenden und gutmütigen Gutmenschen. "Er präsentierte sich als Mann, der die Reichen nicht mag. In Wirklichkeit mag der Präsident die Armen nicht", schreibt sie in der meist zitierten Buchpassage. "Er, der Linke, nennt sie privat die 'Zahnlosen', und er ist auch noch stolz auf diese Art von Humor."

Krankhaft eifersüchtig

Hat Hollande das wirklich gesagt? Trierweilers Zitate sind, obwohl zwischen Anführungszeichen gesetzt, nicht überprüfbar. Oft zeugen sie eher von ihrer krankhaften Eifersucht, zu der sie steht, als wäre es ein nobler Zug. So etwa bei der Schilderung der Familie Gayets (von der niemand weiß, ob sie noch mit Hollande zusammen ist): "Ein Großvater Chirurg, die Mutter Antiquarin, der Vater Arzt und Ministerberater. Eine kleine Bobo-Welt mit raffiniertem Geschmack und berühmten Bekannten, die links wählt, aber nicht einmal die Höhe des Smic (gesetzliches Mindesteinkommen, die Red.) kennt."

Hollande, der in den Umfragen schon tiefer gefallen ist als jeder Präsident vor ihm, bekräftigte am Nato-Gipfel sichtlich angeschlagen, er habe sich immer für die Armen eingesetzt. Umso vehementer wehrt sich Ségolène Royal, seine erste und langjährige Lebenspartnerin, mit der er vier Kinder hat. Die heutige Umweltministerin tut den programmierten Bestseller als "irgendwas" was. Der angebliche Spruch über die zahnlosen Armen "widerspricht völlig seinem politischen Engagement während all der Jahren", verteidigte sie ihren Präsidenten im Radio.

Dass Royal wenig von Trierweiler hält, kann man nachvollziehen: Hollande hatte die erstere 2005 zugunsten der zweiteren verlassen. Letztere ließ dafür ihren Gatten, Denis Trierweiler, sitzen. In ihrem Buch beschreibt die ehemalige First Lady, wie Royal darauf Hollande unter Druck gesetzt und ihm gedroht habe: Wenn er die Neue nicht wieder loswerde, werde sie selbst bei den Primärwahlen der Sozialisten gegen ihn antreten. Und sei zur Tat geschritten: 2007 wurde Royal Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten (sie unterlag gegen Nicolas Sarkozy).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 ließ Royal hingegen Hollande den Vortritt (und Hollande wurde gegen Sarkozy gewählt). Trierweiler behauptet, Royal habe nur deshalb gegenüber Hollande verzichtet, weil er ihr insgeheim den Vorsitz der Nationalversammlung versprochen habe. Das habe er nach seiner Wahl ins Elysée flugs vergessen.

Plausibles und Übertriebenes

Politisch wäre das nicht ganz uninteressant - sofern es stimmt. Manches an Trierweilers Darstellung wirkt plausibel, manches zu übertrieben. Von der Startauflage von 200.000 Exemplaren wurden am ersten Tag, dem Donnerstag, jedoch bereits 25.000 verkauft. Warum eigentlich? Die beschriebenen Szenen einer Nicht-Ehe überraschen die Franzosen kaum: Seit dem Ancien Régime hielt sich der "Seigneur" (Trierweiler über Hollande) hochoffizielle Mätressen, und die liefen sich gegenseitig den Rang ab oder schütteten einander Gift in den Wein.

Nichts neues also unter der Pariser Sonne? Doch: Nie berichtete eine First Lady so offen und schnörkellos aus dem innersten Zirkel des Machtzentrums Elysée. Bernadette Chirac oder Cécilia Sarkozy warteten mit ihren "Erinnerungen" das Amtsende "ihres" Präsidenten ab und beließen es auch dann bei diskreten Andeutungen. Trierweiler zerreißt den Vorhang der Macht, und das noch während des präsidialen Mandates. Sie entblößt den Mann hinter dem Präsidenten, und der steht ziemlich nackt da, während die präsidiale Statur, die seit de Gaulle über ganz Frankreich gebietet, in Trümmern liegt. Einige, so auch der Starphilosoph Bernard Henri-Levy, meinen gar, Hollande habe mit dem Buch den "Coup de grâce", den Todesstoss, erhalten, auch wenn sich der verwundete Stier noch einige Zeit in der Arena halten könne.

Neues Umfragetief

Hollande sank am Freitag in einer neuen Umfrage – die noch vor Trierweilers Buch erstellt worden war - auf 13 Prozent Beliebtheitspunkte. Das ist ein absoluter Minusrekord für französische Präsidenten. Auf der französischen Linken, aber auch rechts außen bilden sich außerdem so genannte „Zahnlos-Komitees“, die den Zynismus der Regierung kritisieren. Als wäre das nicht genug, musste Hollande am Donnerstag auch noch einen Minister entlassen, der in eine Steuerermittlung verstrickt ist. Der Sozialist Thomas Thévenoud war erst in der Vorwoche bei der Regierungsumbildung ernannt worden. Er hatte als Parlamentarier in Anti-Steuerflucht-Kommissionen mitgewirkt.

Die Franzosen delektieren sich in ihrer großen Mehrheit keineswegs an dem Clash vor der Elysée-Kulisse. Sie verschlingen natürlich das Buch oder in den Medien zumindest die wichtigsten Passagen. Aber eigentlich fühlen sie sich sowohl Hollande wie Trierweiler fremd. Ihr, die sie nie ins Herz geschlossen hatten, werfen sie letztlich dasselbe vor wie ihm, der das Präsidentenamt nicht auszufüllen vermag: Beide sind nicht "à la hauteur", sind nicht auf der Höhe ihrer nationalen Rolle und Aufgabe. Sie hat schwache Nerven, er versteckt sich beim Seitensprung unter dem Motorradhelm. Das lässt man vielleicht den Nachbarn durch. Aber nicht einem Präsidentenpaar. (Stefan Brändle aus Paris, derStandard.at, 06.09.2014)