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Bruno Kreisky konnte sich einen Systemwechsel eigentlich nicht vorstellen.

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Alois Mock schnitt symbolträchtig ein Stück vom Eisernen Vorhang durch.

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Wie reagierten die Parteien SPÖ und ÖVP auf die demokratische Revolution in Osteuropa bzw. auf deren Vorboten? Eher erschrocken und abwehrend, was die SPÖ betrifft, etwas positiver die ÖVP.

Polen bildete den Anfang. 1980 wurde nach Streiks auf der Danziger Werft die freie Gewerkschaft Solidarnosc gegründet. Während US-Gewerkschaften die Kämpfer um Lech Walesa mit Geld und Material (Abziehgeräten für Flugblätter) unterstützten, war der ÖGB unter dem traditionellen Sozialdemokraten Anton Benya mehr als zurückhaltend. Gewerkschafter, die sich öffentlich vor katholischen Priestern zur Beichte hinknieten! Das konnten keine echten Arbeitervertreter sein! Bis in die 80er-Jahre hinein vertrat SPÖ-Jungstar Josef Cap die Ansicht, der Comecon (Ostblock-Wirtschaftsunion) sei für Österreich vielleicht der EG vorzuziehen.

Kriegsrecht ausgerufen

Im Dezember 1981 war das kommunistische Regime in Polen schon so erschüttert, dass Premier General Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht ausrufen musste. Im Jänner 1982 hielt Kanzler Bruno Kreisky dann eine Rede, in der er die polnische Kirche und die Solidarnosc dafür verantwortlich machte und die polnischen Arbeiter beschuldigte, sie hätten durch ihre Streikerei den Nachschub an Kohle für die Hochöfen der Vöest in Linz sabotiert ... Kreisky konnte sich wie viele andere nicht vorstellen, dass der eiserne Griff des kommunistischen Systems und der Sowjetmacht je gelockert würde oder gar ein Systemwechsel möglich wäre. Tatsächlich hatte ja die gewaltsame Niederschlagung von Freiheitsbewegungen durch russische Panzer 1953 in Ostberlin, 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei die scheinbare Aussichtslosigkeit solcher Bestrebungen gezeigt.

Gute Großkunden im Osten

Kreisky bemühte sich zwar, an einer Entspannungspolitik mitzuwirken, aber er stellte das System selbst nicht wirklich infrage. Dazu kam, dass die Sowjetunion und die DDR Großkunden für Produkte der Verstaatlichten Industrie waren. Und die UdSSR war die wichtigste Staatsvertragsmacht.

Auch Bruno Kreiskys Nachfolger Franz Vranitzky musste erst 1988 in Moskau Michail Gorbatschow (erfolgreich) davon überzeugen, dass der geplante EU-Beitritt Österreichs kein Neutralitätsverstoß war. Feine Unterschiede: Vranitzky hatte bei einem Besuch in Prag den damals schon sehr bekannten Dissidenten Václav Havel nur durch seine außenpolitische Beraterin Eva Nowotny empfangen lassen. Außenminister Alois Mock (ÖVP) traf jedoch persönlich mit Havel zusammen.

Die ÖVP war in den Jahren vor 1989 eindeutig mehr bereit, sich den KP-Machthabern gegenüber etwas herauszunehmen. Besonders Erhard Busek, damals Vizebürgermeister von Wien, entwickelte ein "Mitteleuropa" -Konzept. Österreich solle seine alte Rolle in diesem Raum wenigstens ansatzweise wiederaufnehmen. Das Konzept arbeitete nicht direkt auf den Sturz der Kommunisten hin, das wäre zu vermessen gewesen, sollte aber dem Widerstand das Überleben ermöglichen.

So reiste Busek, begleitet von seinem intellektuellen Berater Jörg Mauthe x-mal nach Osteuropa, traf - oft unter konspirativen Umständen - den späteren polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki, natürlich auch Lech Walesa, in Prag Václav Havel, in Ostberlin den Pastor Rainer Eppelmann, in Belgrad Oppositionelle, die sich später als Ultranationalisten entpuppten usw.

Als es dann so weit war, im Sommer 1989, konnte die ungarische Reformregierung immerhin davon ausgehen, die Österreicher würden DDR-Bürger, die über Ungarn nach Österreich flüchten wollten, nicht zurückschicken. Mock hatte schon vorher mit dem ungarischen Außenminister Gyula Horn den Zaun an anderer Stelle durchschnitten. In der Folge war es dann aber die schwarz-blaue Regierung Schüssel, die beim EU-Beitritt der Osteuropäer eher auf der Bremse stand. Doch die Wirtschaft hatte die Chance Osteuropa eher begriffen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 6.9.2014)