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Eine Filiale der britischen Sports Direct Gruppe in London.

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Wien/Wels - Seit die angeschlagene Sporthandelskette Sport Eybl/Experts im April vollständig in britische Hand übergegangen ist, geht bei den rund 2.000 Beschäftigten die Jobangst um. Der Diskontriese Sports Direct krempelt das ehemalige Familienunternehmen komplett um, gibt dabei aber weder den Mitarbeitern noch Betriebsräten ausreichend Informationen, kritisieren die Arbeitnehmervertreter.

"Alle sind total verunsichert. Es gibt keine Antworten, aber sehr viele Fragen", meldeten sich nun erstmals die Zentralbetriebsräte der Firma, Claudia Swoboda und Manfred Nemeth zu Wort. Ihre Vorwürfe wiegen schwer: Die neuen Eigentümer lehnten geforderte Sozialpläne ebenso ab wie eine Betriebsvereinbarung. Seit Monaten warten die Betriebsräte auf ein wirtschaftliches Konzept, wie es mit der verlustreichen Firma weitergehen soll.

Thomas Bittermann, den Sports Direct erst kürzlich als Österreich-Geschäftsführer anstelle von Mike Weccardt eingesetzt hat, ist über die Vorwürfe empört. "Ich bin überrascht, dass diese Themen über die Medien ausgetragen werden. Wir tauschen uns laufend aus. Ein nächster Termin steht schon fest", sagte.

"Er (Bittermann, Anm.) darf keine Entscheidungen treffen. Es wird alles mit England abgesprochen und bei wichtigen Gesprächen ist immer jemand aus England dabei", so Nemeth. Das letzte Gespräch zwischen Bittermann und dem Zentralbetriebsrat fand am 20. August statt. Das nächste Treffen ist für 9. Dezember geplant. So lange wollen Swoboda und Nemeth aber nicht warten.

Gerichtsweg beschreiten

Bis 15. September wollen sie Lösungsvorschläge sehen, sonst werde gemeinsam mit der Gewerkschaft GPA der Gerichtsweg über die Schlichtungsstelle beschritten, kündigten die Betriebsräte an. "Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand: Die GPA-djp hat der Geschäftsführung nach Gesprächen, in denen sie zwar Verständnis zeigte, aber ihren Ankündigungen bis jetzt keine Taten folgen ließ, deswegen ein Ultimatum gesetzt", so GPA-Vizechef Karl Proyer.

Am 12. und 13. September werden in jenen 11 von 53 Filialen, in denen es Betriebsräte gibt, Betriebsversammlungen abgehalten. Swoboda und Nemeth appellieren an die Beschäftigten, sich auch in den anderen Filialen zu organisieren und Betriebsräte zu wählen.

Sports Direct habe angekündigt, den Umbau der Sporthandelskette ohne Kündigungen über die Bühne bringen zu wollen, so die Betriebsräte. Im vergangenen Jahr schlossen zwei Filialen, heuer sollen zwei weitere zumachen. Auch die Mitarbeiter dieser Geschäfte sollen auf andere Standorte aufgeteilt werden. Wie das funktionieren soll, bleibt offen, zumal der Diskonter Sports Direct viel weniger Beratung benötigt als zuvor Eybl.

Betriebsräte sprechen von Druck

Die Betriebsräte vermuten, dass es künftig mehr Teilzeitstellen und geringfügig Beschäftigte geben wird. Nur so könne die Kopfzahl gehalten werden. Außerdem werde Druck ausgeübt: "Wenn eine Firma sagt, wir nehmen dir zwar nicht den Arbeitsplatz weg, du musst jetzt aber ganz was anderes machen und wenn dir das nicht passt, musst du halt kündigen, dann ist das keine freiwillige Kündigung." Das Management habe den Sozialplan mit dem Argument abgelehnt, dass eh niemand gekündigt werde.

Bittermann will zu Filialschließungen, eventuellen Sozialplänen oder Personalentscheidungen "keine Stellungnahme" abgeben, wie er zur APA sagte. Aus seiner Sicht ist es ein "positives Signal, dass eine Firma sich beteiligt und nicht vor hat, Mitarbeiter zu kündigen".

Für Ärger bei den Arbeitnehmervertretern sorgen auch neue Bekleidungsvorschriften und ein neues Provisionssystem. In 37 Filialen führte Sports Direct anfangs außerdem eine Zeiterfassung via Fingerprint ein, die inzwischen aber wieder abgeschafft wurde, zumal es keine Betriebsvereinbarung über Datenschutz gebe, erzählten Claudia Swoboda und Manfred Nemeth.

Üblich in England

Geplante Taschenkontrollen konnten die Betriebsräte laut eigenen Aussagen rechtzeitig abstellen. "Wir bekommen immer nur zu hören: 'In England ist das so üblich.' Nur wir sind hier nicht in England", meinte Swoboda.

Besonders "skurril" sei die neue Kleiderordnung: "Bitte stellt sicher, dass alle die richtigen Teile erhalten. Bitte beachtet besonders den Unterschied zwischen Mitarbeiter- und Manager-Hosen und -Shorts, Mitarbeiter-Hosen haben keine Taschen, Manager-Hosen schon", zitierten die Betriebsräte aus der deutschen Version eines Informationsblattes, das sie von der Geschäftsführung erhielten. Die Mitarbeiter würden so unter den Generalverdacht gestellt, zu stehlen, kritisierte Swoboda. Außerdem könnten sie nicht einmal einen Schlüssel oder ein Taschentuch einstecken.

Es sei falsch, dass Mitarbeiter unter Generalverdacht gestellt würden, entgegnete Österreich-Chef Thomas Bittermann. Sports Direct sei eine global agierende Gesellschaft, die in den jeweiligen Rechtsordnungen konform gehende Möglichkeiten von Kontrollmaßnahmen nutze. Taschenkontrollen sind in Österreich nicht grundsätzlich verboten, sofern es dafür eine Betriebsvereinbarung gibt oder der/die Beschäftigte im Dienstvertrag zugestimmt hat. Derzeit gibt es aber keine entsprechende Betriebsvereinbarung. Bittermann dazu: "Wir sind mit dem Betriebsrat zu vielen Punkten in Gesprächen."

Über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens wissen die Betriebsräte nichts Konkretes. Manche Filialen seien schon auf Sports Direct umgestellt, andere nicht. Eine klare Linie sei nicht erkennbar. Von September 2012 bis August 2013 schrieb die Sport Eybl & Sports Experts GmbH, die inzwischen Sportsdirect.com Austria GmbH heißt, laut FirmenCompass einen Jahresverlust von 13,5 Mio. Euro (davor -20,2 Mio. Euro). Der Bilanzverlust betrug fast 20 Mio. Euro. Der neue Geschäftsbericht für das Jahr 2013/14 wurde noch nicht veröffentlicht.

Kein Qualitätseinbruch zu befürchten

Laut Bittermann ist die wirtschaftliche Lage der Kette besser. "Wir haben einen starken Partner. Niemand braucht Sorge haben, dass es im Sporthandel zu einem Qualitätseinbruch kommt."

"Wir brauchen dringend einen Dialog", fordern die Arbeitnehmervertreter. Von der Komplettübernahme durch die Briten haben die Betriebsräte aus den Medien erfahren. "Bis April hat man uns noch suggeriert, dass die 16 Eybl-Häuser auf jeden Fall bestehen bleiben", erzählte Swoboda.

Dann sei alles Schlag auf Schlag gegangen. Quasi über Nacht sei damals das ganze Unternehmen auf das britische System umgestellt geworden - neben britischen Kassen und Computertastaturen werden nun auch alle Daten der Beschäftigten in Großbritannien gespeichert. Im Mai wurde bekannt, dass Sports Direct die Marken Eybl und Experts einstampft. (APA, 5.9.2014)