Eindringlich verzweifelt: Bryn Terfel als Holländer.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien - Das Herübergleiten vom Festspielsommer in den Alltag kommt für ein Haus wie die Wiener Staatsoper einer heiklen Übung gleich. Zwar sind mit den Philharmonikern (als Staatsopernorchester) wieder jene Instrumentalkräfte am Werk, die in Salzburg für hohes Niveau sorgten. Auch der Staatsopernchor ist wieder da, nachdem er als Konzertvereinigung den letzten Festspielsommer Pereiras bereichert hat. Bei bestem Willen sind jedoch die üppigen Probenbedingungen eines Festivals im Repertoiresystem nicht zu simulieren. Enttäuschungen könnten also drohen.

Zur Saisoneröffnung hat man jedoch auf personellen Glanz gesetzt: Es kommt Bryn Terfel als düsterer Holländer auf die Bühne, und mit wenigen Gesten ist die Gespaltenheit dieser Figur umrissen. Todessehnsucht und Hoffnung auf Erlösung (durch Treue) spiegeln sich beim walisischen Bassbariton auch im vokalen Ausdruck - Terfel ist ein Künstler der Nuance: In den Tiefen ist zwar ein unschönes Vibrato zugegen. Dennoch sind da Intensität und Präsenz; besonders im Finale spielt Terfel diese Qualitäten aus. Und: In den Höhen gelingt es ihm, mit feiner Pianokultur zerbrechliches Sehnen zu vermitteln.

Pauschale Dramatik

Dass sein beliebigkeitsfreier Gestaltungsansatz nicht vollends zu wirken vermochte, ist eher der zweiten Edelbesetzung anzulasten. Dirigent Yannick Nézet-Séguin, der schon vor Jahren in Salzburg bei Gounods Romeo und Julia große Opernqualität gezeigt hat, setzt letztlich zu sehr auf pauschale Dramatik, flutet die Bühne mit Klangwellen und scheint dabei bisweilen auf die Sänger zu vergessen. Das garantiert zwar dramatische Opulenz. Aber nur eine der Oberfläche.

Auch eine sensiblere Gangart des Staatsoperndebütanten Nézet-Séguin, der selbstverständlich wiederkehren möge, hätte allerdings Ricarda Merbeth (als Senta) wenig geholfen. Grandiosen dramatischen Spitzentönen stand eine flatterhafte, unsichere Linienführung im schwärmerisch-lyrischen Bereich gegenüber. In Summe also eher unausgewogen. Respektabel dagegen Peter Rose (als Daland), Norbert Ernst (als Erik) und nicht minder ansprechend Benjamin Brun (als Steuermann). In Summe galt der Applaus also einem gehobenen Alltagsniveau. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 5.9.2014)