Gestisches Ausdeutschen: Gunkl über "So Sachen".

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Wien - Günther Paal war, wie er retrospektiv meint, "ab Werk passend". Er funktionierte 1a, machte seinen Eltern keine Probleme. Und er läuft nach wie vor - als Kabarettist Gunkl - wie eine Präzisionsmaschine: Man stellt ihn auf eine Bühne, wo er bis zur Hüfte starr wie ein Soldat verharrt. Seine Oberarme aber gestikulieren exakt 2 x 45 Minuten ununterbrochen und ausladend, um auch auf der Ebene der Körpersprache auszudeutschen, was er zu sagen hat.

Am Setting hat sich - bis hin zu den schlichten Plakaten und der Konstruktion der Titel - spätestens seit Ich lass mich gehen - ein Abschied im Jahr 2000 nichts geändert. Und doch ist das Soloprogramm Nummer elf mit dem Titel So Sachen - ein Stapel Anmerkungen, das am Mittwoch im Wiener Stadtsaal Premiere hatte, ein wenig anders: Gunkl verzichtet darauf, mehrere Handlungsstränge zu verflechten, er wiederholt sogar zentrale Sätze.

Bisher schienen seine Gedankenflüge außerhalb der Zeit zu sein; nun aber kommentiert Gunkl aktuelle Entwicklungen bis hin zur Kulturpolitik. Und er richtet nebenbei einen moralischen Appell an seine Zuhörerschaft.

Mitunter schweift Gunkl natürlich ab. Etwa wenn er sich darüber wundert, dass im Zoo das Zebra ausgestellt wird, während man dessen Verwandten, das Pferd, an die Raubtiere verfüttert. Ist das Zebra mehr Tier als das Pferd?

Süffisant kommentiert Gunkl auch die Prüderie der Amerikaner, die zu einer absurden Verschiebung der Werte führt: Man wollte nachprüfen, ob es tatsächlich (wie im 007-Film Goldfinger) möglich ist, mit einem stahlgestärkten Hut, wie ein Frisbee geworfen, Menschen zu köpfen. Als Dummy wählte man eine nackte Venusstatue - deren Brüste man mit einem Schal verhüllte.

Ob das Köpfen funktionierte? Gunkl blieb die Antwort schuldig. Aber es ging ihm um etwas anderes: Der Mensch habe ein prinzipielles Interesse, Behauptetes zu überprüfen. Nur aufgrund von Erkenntnissen, die das Juhu-Zentrum im Gehirn mit Glücksgefühlen belohne, habe er in der wilden Natur überleben können. Ein Feind der Aufklärung sei die Religion (da muss man "glauben"), ein anderer der Motivationstrainer.

Auch der Kasperl ist ein solcher. Denn er fragt immer zu Beginn: "Seid ihr alle da?" Worauf alle "Ja" schreien. Die Frage lässt auch keine andere Antwort zu, denn alle, die da sind, sind da. Sinnlose Frage, aber gute Stimmung. Eine Gesellschaft, die mit dem Kasperltheater sozialisiert wurde, schreit gerne "Ja", statt die Frage als "Blödsinn" zu entlarven. Eine solche Gesellschaft hat Hitler zugejubelt: Kaum einer ist aufgestanden und hat "Blödsinn" gesagt. Leider funktioniert die Welt so - auch heute. Gunkl hat ein fulminantes Erklärstück abgeliefert. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 5.9.2014)