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Der neueste Teenie-Star: Ariana Grande hier live bei den MTV-Awards 2014 Ende August in Kalifornien.

Foto: Reuters/Nicholson

Wien - Auf Facebook hat die Frau derzeit fast dreimal so viele Freunde, wie Österreich Einwohner zählt. Tendenz steigend. Wenn alle ihre Folger und Folgerinnen gleichzeitig zurückzwitschern würden, weil Ariana Grande zum Beispiel sagt, dass heute ein wunderschöner Tag auf ihrem Heimatplaneten Erde sei, wäre das Handynetz heillos überlastet.

Diverse Satelliten könnten wegen einer Sintflut elektronischer Retourherzen zudem abstürzen, was einen zeitweiligen Totalzusammenbruch der beliebten WhatsApp-Plattform nach sich ziehen würde. Schwere Kinderunruhen in der nördlichen Hemisphäre des Planeten würden daraufhin allen Erwachsenen die Zeit zwischen Schulschluss und Nachtruhe ordentlich versauen.

Problem, ihre letzte Single, war in über 50 Ländern der Welt Nummer eins der Download-Charts. In diesem sehr eingängigen und auf der Höhe der Zeit ecken- und kantenlos frech daherkommenden Lied befindet Ariana Grande gemeinsam mit der gachblonden Rapperin Iggy Azalea, dass sie zwar 99 andere Probleme in ihrem Leben habe, mit der raschen Entsorgung ihres aktuellen Boyfriends würde aber zusätzlich keines entstehen, falls er ihr blöd kommt.

Folgen auch im Sinne von brav sein. Keine Probleme machen. Soziale Netzwerke pflegen - und Pop als Besserungsanstalt für Kinder verstehen, deren größte Sünden bis zur ersten veganen Zigarette auf dem Schulhof unter anderem darin bestehen, dass sie trotz Mathematik auf dem Stundenplan ihr Geodreieck zum Zeichnen der Linien bei den quadratischen Gleichungen daheim vergessen haben: Das ist die große kleine Kunst der Ariana Grande.

Hits für die Smartphones

Das nun vorliegende Album My Everything ist bereits das zweite Album innerhalb eines Jahres, das die US-Sängerin mit süditalienischen Wurzeln auf den heutzutage rein über Smartphones abgewickelten Teeniemarkt bringt. Und das ist in diesem Segment auch höchste Zeit. Ariana Grande ist 21 Jahre alt. Und wie man anhand diverser Vorgängerinnenmodelle sieht, kann man sich spätestens mit 30 in die Oldies-Shows von Las Vegas verabschieden, wo man von drei ehemaligen Welthits und der Tatsache lebt, dass viele Menschen im Konzertsaal sitzen bleiben, weil sie die Nachschlagsportionen am Gratisbüffet etwas unterschätzt haben.

Ariana Grande ist schon im Kindesalter auf Musicalbühnen daheim in Florida gestanden, 2008 debütierte sie am Broadway. Beim Kinderkanal Nickelodeon gastierte sie in der mit ihrem hysterischen Dauergekreische Angst und Schrecken in der Elternwelt verbreitenden Kinder-Sitcom iCarly . Als ebenfalls drastischer Aktivität und beständigem Alarmismus verpflichtete "Cat Valentine" bekam sie die Hauptrollen in den ergänzenden und/oder iCarly fortführenden TV-Serien Victorious und Sam & Cat, die auch im deutschsprachigem Raum im Kabelprogramm umgehen.

Die längst als Teil globaler Mischkonzerne auftretenden Plattenfirmen wie im aktuellen Fall Universal nutzen den bereits vorhandenen Bekanntheitsgrad ehemaliger Kinderstars wie Britney Spears, Justin Timberlake oder Miley Cyrus nun auch schon wieder beinahe 20 Jahre lang, um sich mühsame Aufbauarbeit zu ersparen. Es reicht, wenn man so wie Ariana Grande hochwertige und hochangesagte Produzenten wie den deutsch-russischen Konfektionssound-Designer Zedd verpflichtet oder den Schweden Max Martin, der schon seit Britney Spears und den Backstreet Boys für Erfolg garantiert. Die Künstlerin braucht eigentlich nur noch eine rauch- und drogenfreie Stimme im Drei- bis Vieroktavbereich. Sie sollte live oder in ihren Videoclips ihren Bewegungsapparat so weit unter Kontrolle haben, dass sie nicht über Möbel oder Stiegen fällt. Für die nötige Rauheit und Authentizität im Schaffen (Hip-Hop! Tattoos! Straßenglaubwürdigkeit!) sorgen zugekaufte Gaststars wie die erwähnte Iggy Azalea, die im Teeniegenre längst obligate schrille Rapperin Nicky Minaj oder schwere Jungs wie Big Zen. Für die musikalische Credibility holt man sich schließlich Undergroundstars wie Childish Gambino oder The Weeknd.

Skandalfrei auffallen

Das hauptsächliche Manko dieser fröhlich kieksenden, rumsrhythmischen und dezidiert inhaltlich unerheblichen Popwelt stellt die verhaltensunauffällige Biografie ihrer Protagonistin dar. Ariana Grande ist zwar nett anzuschauen und singt zumindest im Studio sehr musicalquietschig souverän über das Leben, die Liebe und die nächste Party. Allerdings hat sie vom Image her derzeit wie kaum eine Kollegin vor ihr damit zu kämpfen, dass sie offenbar das ist, was man hierzulande eine fade Trutschen nennt. Ariana Grande ist absolut skandalfrei, setzt sich für diverse wohltätige Organisationen ein, hält sich mit Sport fit und hofft darauf, in zwei Jahren nicht vergessen zu sein. Bloß nicht auffallen. Und damit auffallen. Um jeden Preis. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 5.9.2014)