Der Netzwerkausrüster Nokia unternimmt einen neuen Vorstoß, um seine Navigationskarten an die Kunden zu bringen und gegenüber mobilen Kartendiensten von Google und Apple aufzuholen. Der finnische Konzern wird in Kürze kostenlose Karten-Apps für mobile Geräte auf den Markt bringen, die auf dem Google-Betriebssystem Android und der iOS-Plattform von Apple laufen, wie Nokia-Manager Sean Fernback im Gespräch mit dem Wall Street Journal sagte.

Offline

Das Besondere an den Apps, die bis Ende des Jahres verfügbar sein sollen: Sie brauchen für die Navigation keine Internetverbindung. Nokias Hauptgeschäft mit Kartendiensten richtet sich eigentlich an Unternehmenskunden wie Autobauer und auf Logistik angewiesene Unternehmen wie FedEx und Amazon, die für die Nutzung der digitalen Kartenplattform Lizenzgebühren zahlen.

Verkauf

Ausgelöst wurde die Entscheidung, die Karten nun auf deutlich mehr mobilen Geräten verfügbar zu machen, durch den Verkauf des Handy-Geschäfts an Microsoft Anfang des Jahres. Damit ist das Kartengeschäft nicht länger von der schrumpfenden und verlustreichen Gerätesparte abhängig.

"Wir werden dahin geben, wo wir Größenvorteile haben", sagte Fernback, der als Manager bei Nokias Kartenssparte HERE arbeitet.

Dominanz

Derzeit dominieren die Kartendienste von Google und Apple den Verbrauchermarkt, auf dem überwiegend Android- und iOS-Geräte genutzt werden. Beide Konzerne müssen die Aufnahme von Nokias neuem Produkt in ihren jeweiligen App-Store genehmigen, aber Nokia rechnet nicht mit Problemen.

"Ich bin überzeugt, dass die Leute nach Alternativen Ausschau halten", sagte Fernback. "Google Maps ist eine gute Lösung für viele, die Karten funktionieren sehr gut, aber es sieht schon seit langem gleich aus und macht schon seit langem immer das Gleiche." Google war nicht umgehend für eine Stellungnahme zu erreichen.

Vergleich

Nokias neue Apps werden Funktionen haben, die jenen der Wettbewerber fehlen. Zum Beispiel die Möglichkeit, die Karten für eine Offline-Nutzung vollständig herunterzuladen, oder auch ohne Internetverbindung nach Orten zu suchen, sagte Fernback. Bei Google Maps ist die Offline-Funktionalität geringer. Die Kartennavigation funktioniert über Satelliten. Deshalb kann eine Karte, sobald sie heruntergeladen ist, ohne Internetverbindung genutzt werden.

Ertrag

Nokia erwartet von der neuen Karten-Anwendung unter Android und iOS keine unmittelbaren finanziellen Erträge. Anders als Google, das seine Karten kostenlos anbietet, aber neben den Suchergebnissen Werbung schaltet, hat Nokia kein Werbegeschäft aufgebaut, um seinen Dienst zu unterstützen. Dafür gibt es derzeit auch keine Pläne.

Indem die Karten normalen Nutzer kostenlos angeboten werden, dürfte Nokia allerdings mehr Feedback für die Verbesserung des Dienstes erhalten. Denn jeder Nutzer der Nokia-Karten auf einem Smartphone oder Tablet wird zu einem Tester, sagte Fernback.

Tizen

Der Konzern hat im vergangenen Monat bereits eine Vereinbarung mit Samsung Electronics geschlossen, um Karten-Apps für das Samsung-Betriebssystem Tizen bereitzustellen.

Nokia hatte schon in der Vergangenheit versucht, Nutzer von den Konkurrenten abzuwerben, aber nur mit mäßigem Erfolg. 2012 veröffentlichte der Konzern eine Karten-App für iPhones, um von der anfänglichen Kritik an der neuen Kartensoftware von Apple zu profitieren. Aber die Nokia-App erhielt schlechte Rezensionen, wurde nur selten heruntergeladen und schließlich aus dem Apple-App-Store entfernt.

"Es war ein überhastetes Produkt, das nie gründlich erprobt wurde", sagte Fernback. "Ehrlich gesagt, ging es gründlich schief. Aber wir haben uns neu aufgestellt." (Sven Grundberg, WSJ.de / derStandard.at, 4.9.2014)