In den Rauchschwaden kann man den Überblick schon einmal verlieren - so wie Tricky auf seinem neuen Album.

Foto: Studio K7

Wien - Tricky macht sich rar. Das ist eine gängige Strategie für einen Popmusiker, aber Tricky macht sich auf dem eigenen Album rar. Vielleicht nötigte das Zusammenwirken von Rauchwaren und schwerem Asthma den britischen Musiker zu diesem Schritt. Faktum ist, dass er auf seinem Ende der Woche erscheinenden Album Adrian Thaws kaum zu hören ist. Und wenn, dann klingt er ermattet: "Where is the fun now?", fragt er im Eröffnungssong. Man kann es nicht beantworten.

Zwar rappelt und raspelt er auf diversen Tracks, den eigentlichen Gesang besorgt an seiner statt aber eine Auswahl vieler Gastsängerinnen. Andererseits ist das natürlich Hausmarke. Der Gesang des Mitbegründers dessen, was Trip-Hop genannt wurde, entsprach immer mehr intuitiven Interventionen als herkömmlicher Sangeskunst. Immerhin kommt Tricky ja vom Hip-Hop, und früher übernahm seine damalige Partnerin Martina Topley-Bird die lieblichen Parts.

Laut eigenem Bekunden ist das vorliegende, nach seinem bürgerlichen Namen betitelte Werk ein Club- und Hip-Hop-Album. Gleichzeitig gibt Tricky zu, nicht in Clubs zu gehen. Es sei Clubmusik, wie er sie sich imaginiere.

Ein derartiger freier Arbeitsansatz hat bei Tricky Tradition. Für das Kid aus zerrütteten Familienverhältnissen und dem kleinkriminellen Milieu, das sich über seine Verbindung zu Massive Attack in den 1990ern zum Weltstar emporgearbeitet hat, ist zu viel Information nie gut. Informiertheit über Musik oder gewisse technische Fertigkeiten im Studio würden nur das intuitive Arbeiten behindern. Tricky will lieber unbeeinflusst bleiben.

Kultivierte Abschottung

Gut, das nimmt man ihm nach einer über 20-jährigen Karriere und elf Studioalben nur noch bedingt ab. Außerdem garantiert eine derart kultivierte Abschottung nicht zwangsweise positive Resultate. Das neue Album ist dafür ein schauriger Beleg.

Nun kann man selbst als interessierter Konsument die Kontrolle über die jüngsten Entwicklungen in den immer noch als Trendküchen verklärten Clubs verlieren. Zu den einfachen Gesetzen des Clubs gehört jedoch, dass die Musik tanzbar sein soll. Gut, man kann seinen Hintern zu fast allem bewegen. Tracks wie Lonnie Listen kommen allerdings so hölzern daher wie der von Tricky dafür beigesteuerte Rap über Facebook.

Immer zart derangiert

Nun gehören neben der Spur liegende Beats zu den Charakteristika der immer zart derangierten Musik Trickys. Diese verantworteten seine Unverwechselbarkeit. Doch diese Brüchigkeit ergab eine eigene Eleganz, ein eigenes düsteres Vokabular. Davon ist auf Adrian Thaws nicht viel übrig, und eine stimmige Chronologie der Stücke kann man dem Album auch nicht nachsagen.

Tricky punktet nur mit wenigen Tracks. Etwa mit dem Blues-getränkten Keep Me in Your Shake, für das er sich gut hörbar einen anheizt. Dem Raucherthema bleibt er in Nicotine Love treu. Musikalisch klingt das jedoch, als wäre seit dem Elektropop einer Anne Clark aus den frühen 1980er-Jahren nicht viel weitergegangen.

Selbst fette Tracks wie Gangster Chronicles zerbröseln bei näherer Betrachtung in altbackene Einzelteile. Polizeisirenen, eingängige Samples alter Soulstimmen, das klingt nach Old-School-Hip-Hop und Moby aus dem 20. Jahrhundert. Why Don't You verknüpft wiederum Stromgitarrenriffs von der Stange mit Jungle zu einem Crossover, für das der Begriff Fremdschämen Rechtfertigung erfährt. Gleich darauf schunkeln Tricky und Gastsängerin Tirzah im Stück Silly Games den Sunshine-Reggae.

Tricky hat auf Adrian Thawes weder Richtung noch Ziel. Ab und an hofft man, er würde doch noch die Kurve kratzen, da kommt schon die nächste Peinlichkeit. Adrian Thaws wirkt wie ein Witz auf Trickys Kosten. Das kann nicht die Idee gewesen sein. (Karl Fluch, DER STANDARD, 2.9.2014)