Grafenegg - Man absolviert das dritte opulente Festivalwochenende von deren vier in Grafenegg. Orchester aus Toronto, Prag, Freiburg, Seoul, St. Pölten und London waren schon zu Besuch im Metternich'schen Großgarten; Klangkörper aus Rotterdam, St. Petersburg, Mailand und Wien kommen noch. Regen und Kälte legen beim zweitägigen Besuch des City of Birmingham Symphony Orchestra ein Päuschen ein.

Sonnenschein und Sympathieträger Andris Nelsons dirigiert das CBSO; der Lette geht in seine letzte von sieben Saisons als Chefdirigent des Klangkörpers, der von Simon Rattle seinerzeit in die obere Orchesterliga gepusht wurde. Wie immer erinnert Nelsons wahlweise an eine Mischung aus einer hyperaktiven Fledermaus und einem betrunkenen Albatros, lasziv-tänzerische Salome-Elemente bereichern sein Bewegungsrepertoire um eine sinnliche Note.

Im ersten Teil des Freitagskonzerts hat der Dirigent einen guten Bekannten aus Bayreuth mitgebracht: Klaus Florian Vogt singt tenorale Höhepunkte aus dem Parsifal sowie Auszüge aus dem mit Nelsons am Grünen Hügel musizierten Lohengrin. Hier fesselt der Deutsche vor allem mit einem berückend sachten, deutlichen Beginn der Gralserzählung, zu deren Ende beim Wolkenturm eine wahre Volksfeststimmung ausbricht.

Der samtig-warme Klang des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters, welches er oft dirigiert, erinnere ihn an eine Flasche Bordeaux, hat Nelsons einmal dem Standard verraten; das CBSO erinnert beim Wagner aber eher an Apfelsaft aus dem Tetrapak.

Bei Beethovens Siebter wird alles anders, da hievt der 35-Jährige das Orchester auf ein berauschendes Niveau. Differenziert, klug, spritzig, drastisch und natürlich auch sehr, sehr sinnlich interpretieren Nelsons und das CBSO Beethovens von (den napoleonischen) Kriegseindrücken durchwirkte Symphonie. Toll. (Stefan Ender, DER STANDARD, 1.9.2014)