Die fossilen Abdrücke von Haootia quadriformis.

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Foto: Alex Liu

Oxford/Cambridge - Die Idee von der "Kambrischen Explosion" vor gut 541 Millionen Jahren ist mittlerweile etwas relativiert worden. Zwar kam es damals zu einer enormen Auffächerung des Lebens mit der Bildung zahlreicher neuer Arten. Aber es war eher die Fortsetzung eines Prozesses, der schon im Zeitalter davor, dem Ediacarium vor 635 bis 541 Millionen Jahren, begonnen hatte.

Zum Bedauern der Paläontologen hatten die Tiere des Ediacariums allerdings noch so gut wie gar keine harten Körpergewebe entwickelt - wie Schalen, Stachel oder Zähne. Der Fossilienbeleg ist entsprechend spärlich, da weiches Gewebe nur unter sehr seltenen Umständen Spuren hinterlässt.

Aber manchmal hat man Glück - und so erging es nun auch Forscher der Universitäten Oxford und Cambridge sowie der University of Newfoundland. Sie stießen in Neufundland auf 560 Millionen Jahre alte Fossilien, die den ältesten bekannten Hinweis auf Muskelgewebe enthalten dürften.

Illustration: Martin Brasier

Bei der bislang unbekannten Spezies, die die Bezeichnung Haootia quadriformis erhielt, dürfte es sich den Forschern zufolge um ein Nesseltier gehandelt haben, also einen Verwandten von Quallen und Korallen. Sein Körper war vierstrahlig symmetrisch aufgebaut und ähnelte mit seiner Körperform und seinen Faserbündeln heutigen Nesseltieren stärker als anderen bisher bekannten Wesen des Ediacariums.

Diese Faserbündel hinterließen Abdrücke im Gestein, die die Forscher um Alex Liu in den "Proceedings of the Royal Society B" als Hinweis auf Muskelgewebe werten: Ein entscheidender Schritt in der Evolution, da er den Tieren präzise Bewegungen erlaubte und damit ganz neue Möglichkeiten eröffnete. Wenn diese Annahme stimmt, handelt es sich um den wohl ältesten Muskel, den man bislang kennt. (jdo, derStandard.at, 30. 8. 2014)