Bild nicht mehr verfügbar.

Nagellack für den K.O.-Tropfen-Test.

Foto: Reuters/Eric Thayer

Über einen Artikel in der "FAZ" gestolpert, in dem es um eine neue Erfindung geht: Nagellack, mit dem Frauen feststellen können, ob ihnen jemand K.-o.-Tropfen in den Drink geschüttet hat. Denn es ist ja nicht so leicht, eine Frau zu vergewaltigen, wenn sie im Vollbesitz ihrer Kräfte ist. Deshalb gibt es Typen, die ihre Opfer vorher mit Betäubungsmitteln vergiften. Und wo Not ist, da ist halt auch eine Geschäftsidee. So weit, so gruslig der Zustand unserer Zivilisation.

In dem Artikel geht es auch darum, dass einige feministische Stimmen sich kritisch zu diesem Projekt geäußert haben. Sie bemängeln, dass so die Verantwortung wieder mal den Frauen zugeschoben wird, anstatt die jungen Männer dazu zu erziehen, keine Frauen zu vergewaltigen. Allerdings: Eine Frau, die heute auf einer Party etwas trinkt, kann ja damit nicht warten, bis das Phänomen der Vergewaltigung aus der Welt geschafft wurde. Natürlich ist K.-o.-Tropfen-indizierender Nagellack keine gesellschaftliche Lösung für das Leben in einer Vergewaltigungskultur. Aber möglicherweise ist er in der Zwischenzeit ja nützlich und praktisch.

Weniger aufdringlich

Mich hat etwas anderes an diesem Artikel geärgert, das ich viel gravierender finde, und zwar ein harmlos daherkommender Nebensatz ganz am Ende. Da schreibt der Autor, dass die Erfindung nicht so ganz neu sei, denn es gebe bereits Tester, die ähnlich funktionieren, also sich verfärben, wenn man sie in eine Flüssigkeit hält, der K.-o.-Tropfen beigemischt wurden, nur eben nicht als Nagellack, sondern als Teststreifen in Visitenkartenformat. Aber, so der Artikel:

"Kurz den Finger ins Glas zu halten, mag zwar etwas gewöhnungsbedürftig sein, ist aber deutlich weniger aufdringlich und vorverurteilend, als auf einer Party mit einem Tester herumzulaufen."

Soso, einen Drink auf K.-o.-Tropfen zu testen, ist also "vorverurteilend". Damit übernimmt der Autor ein maskulinistisches Wording, das seit einiger Zeit die Runde macht, nämlich das Herumgejammere darüber, dass ständig unschuldige Männer zu Unrecht beschuldigt würden, Frauen etwas Böses zu wollen. Gilt denn für sie nicht die Unschuldsvermutung?

Nein, gilt sie nicht. Denn Vergewaltiger sehen von außen betrachtet genauso aus wie alle anderen Männer auch.

Problem der ganzen Gesellschaft

Dass es Männer gibt, die Frauen vergewaltigen, ist halt nicht nur ein Problem von Frauen allein, es ist ein Problem aller, der ganzen Gesellschaft, und es betrifft logischerweise Männer ebenfalls, nur halt auf andere Weise als Frauen. Solange es Männer gibt, die so etwas tun, muss jede Frau damit rechnen, ihr Opfer zu werden. Und jeder Mann muss damit rechnen, verdächtigt zu werden.

Einen Drink auf K.-o.-Tropfen zu testen, ob mit Nagellack oder mit sonst etwas, ist jedenfalls keine Vorverurteilung der anwesenden Männer, sondern eine ganz normale Vorsichtsmaßnahme. Und deshalb bin ich unterm Strich doch für die Visitenkartentester, denn auf diese Weise wird der Skandal sichtbar und nicht verschleiert, indem Frauen verschämt und heimlich ihren Finger ins Glas stecken, damit sich nur ja kein anwesender Mann vorverurteilt fühlt. Solange wir in einer Vergewaltigungskultur leben, tun Frauen in bestimmten Situationen gut daran, ihre Drinks auf Betäubungsmittel zu testen. So ist das nun mal. Und meiner Meinung nach sollten sie das ruhig ganz aufdringlich und vorverurteilend tun.

Wenn euch das nicht gefällt, liebe Männer, dann müsst ihr eben eure Geschlechtsgenossen davon abhalten, Frauen K.-o.-Tropfen in den Drink zu schütten. Denn erst wenn es keine Vergewaltigungen mehr gibt, ist auch keiner von euch mehr verdächtig. Deal with that. (Antje Schrupp, dieStandard.at, 28.8.2014)