Wer in Österreich unternehmerisch tätig ist, hat sich an gesetzlich vorgegebene Buchhaltungsregeln zu halten. Was aber, wenn man keine Lust dazu hat? Ganz einfach: Man tut sich mit acht anderen zusammen, die auch keine Lust dazu haben, und vereinbart mit dem Gesetzgeber, dass das betreffende Gesetz nur dann zur Anwendung kommt, wenn Sie und die acht anderen das auch wollen. Da Sie und die acht anderen aber nicht wollen, brauchen Sie sich fortan um die lästige Vorschrift nicht mehr zu kümmern.

Das kann nicht funktionieren, meinen Sie? Bei uns schon. Konkret seit 1974, als Bund, Länder und Gemeinden die "Heiligenbluter Vereinbarung" schlossen. Deren Inhalt besagt, dass der Bund den Paragraf 16, Abs. 1 des Finanzverfassungsgesetzes, wonach er von den Bundesländern "Auskünfte über deren Finanzwirtschaft" verlangen und ihnen vorschreiben darf, wie sie ihre Buchhaltung zu gestalten haben, nur dann anwendet, wenn die Bundesländer das auch wollen. Leider wollen sie seither nicht, weil sie dadurch transparenter und kontrollierbarer wären, was den dafür verantwortlichen Landeshauptleuten nicht gefällt.

Und so wurde die Verfassung durch einen Deal ohne jede Rechtsgültigkeit ausgehebelt. Unkontrollierte Geldvernichtungsaktionen wie das Hypo-Alpe-Adria-Desaster oder der Salzburger Spekulationsskandal hätten andernfalls zumindest in diesem Umfang nicht geschehen können. Das hat man 1974 vielleicht noch nicht für möglich gehalten. Aber jetzt wissen wir es. Und was können wir dagegen tun?

Der Finanzminister müsste nur das Verfassungsgesetz anwenden. Der Bundeskanzler müsste ihn dabei unterstützen. Eine Selbstverständlichkeit, an der aber die betreffenden Amtsträger bisher stets gescheitert sind. Grund für dieses Totalversagen ist, dass es eine realpolitische Entsprechung zur "Heiligenbluter Vereinbarung" gibt. Diese nennt sich "Landeshauptleutekonferenz" und regiert unser Land anstelle der dafür von der Verfassung vorgesehenen Bundesregierung.

Auch diese Ignorierung der Gesetzeslage hat Geldvernichtung in gigantischem Ausmaß zur Folge. Auf vier bis 16 Milliarden Euro jährlich schätzen Experten das Einsparungspotenzial einer vernünftigen Föderalismusreform - zu der es bislang nie gekommen ist, weil die Landeshauptleute nicht wollen. Natürlich könnte eine gestaltungswillige Bundesregierung die Reform einfach durchsetzen. Aber dafür fehlten Werner Faymann und den ÖVP-Finanzministern der vergangenen Jahre die nötigen charakterlichen Voraussetzungen. Ihre Angstgetriebenheit lässt sie sich auch vor einer vermeintlichen Unpopularität derartiger Maßnahmen fürchten.

Zu Unrecht, wie eine Umfrage des Standard aus dem Juni nahelegt. Auf die Frage, welche Sparpläne von der Bevölkerung am ehesten akzeptiert werden, gab es einen überlegenen Sieg für "Vorschriften bundesweit vereinheitlichen". Und satte 63 Prozent finden den Vorschlag "Die Landtage mit neun verschiedenen Landesgesetzen abschaffen" gut oder sehr gut. Wenn selbst das als Mutinjektion nichts bewirkt, helfen nur noch nackte Zahlen: 7,67 von 8,5 Millionen Österreicherinnen und Österreichern haben weder Erwin Pröll noch Michael Häupl gewählt. (Florian Scheuba, DER STANDARD, 28.8.2014)