Wien - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) begrüßt die Nominierung von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zum ÖVP-Obmann und Vizekanzler: "Es ist ein sehr positives Signal für die künftige Zusammenarbeit in der Regierung, dass sich die ÖVP gestern so klar, rasch und eindeutig für einen neuen Obmann und Vizekanzler entschieden hat", erklärte Faymann in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA am Mittwoch.

Der Kanzler würdigte Mitterlehner als einen "Politiker, dessen Sachkompetenz, Bereitschaft zum Finden gemeinsamer Lösungen und Verlässlichkeit schon in den letzten Jahren für viele positive Ergebnisse in der Regierungsarbeit gesorgt haben". Faymann erwartet sich nun, "dass wir in den kommenden Wochen und Monaten die neuen Chancen nutzen, um gute politische Ergebnisse für die Menschen in unserem Land zu erzielen". Er gehe davon aus, dass es seiner Regierung gelingen werde, "die Zukunft zu bewältigen - und wenn geht, besser".

Montag der Erneuerung

Bundespräsident Heinz Fischer rechnet damit, dass es bereits am Montag zu einer größeren Umbildung der Regierung kommen wird: "Ich denke, dass am Montag nach wie vor der Termin sein wird, an dem eine größere Umbildung der Bundesregierung vor sich geht, weil es sowohl auf SPÖ-Seite als auch auf ÖVP-Seite neue Gesichter gibt." Die Regierungsumbildung sieht er als Chance: "Das ist ein Atemschöpfen, ein 'Sich-Erneuern'."

Die Nominierung Mitterlehners zum Parteichef und Vizekanzler kann Fischer gut nachvollziehen, er hält ihn für "kompetent, kommunikationsfähig und konstruktiv": "Ich habe viele gute Seiten von ihm kennengelernt."

Dreierkombination mit Tücken

Dem zurückgetretenen Michael Spindelegger dankte Fischer. Dieser habe an einem Punkt, an dem er zur Überzeugung gekommen sei, seine Auffassung nicht im erforderlichen Ausmaß durchsetzen zu können, einen klaren Schlussstrich gezogen. "Ich finde das ehrenvoll, wenn man da nicht herumlaviert und Schuldzuweisungen und Rückzugsgefechte abwickelt."

Der Dreifachbelastung Spindeleggers als Vizekanzler, Finanzminister und Parteiobmann sei er von Anfang an kritisch gegenübergestanden, so Fischer: "Ich glaube, wenn ich das als Bundespräsident sagen darf, dass die Kombination Parteiobmann und Finanzminister ihre Tücken hat. Das heißt aber nicht, dass ein Parteiobmann nicht auch ein Ressort führen kann."

Hoffnungsvolle SP-Gewerkschafter

Bei den SPÖ-Gewerkschaftern Wolfgang Katzian und Josef Muchitsch stößt der neue Mann in der ÖVP auf positive Resonanz. "Das ist ein Neustart", erklärte der Bau-Holz-Gewerkschaftschef Muchitsch am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal". Beide pochen in der Steuerreformdebatte auf Vermögens- bzw. Vermögenszuwachssteuern.

FSG-Chef Katzian verwies auf die sozialpartnerschaftliche Erfahrung Mitterlehners in der Wirtschaftskammer. Er habe ihn als jemanden kennengelernt, mit dem man "auch gegensätzliche Dinge gut und lösungsorientiert" verhandlen kann. "Das gibt mir doch eine gewisse Hoffnung", meinte Katzian in Bezug auf Vermögenssteuern. Es sei klar, dass es eine Entlastung und eine Gegenfinanzierung brauche. Vermögen über einer Million Euro müssten dazu einen "entsprechenden Beitrag" leisten, betonte der FSG-Chef.

Aus Sicht von Muchitsch werde noch zu wenig über Vermögenszuwachsbesteuerung gesprochen. Mitterlehner sei jedoch ein "guter Ansprechpartner" auch für neue Ansätze: "Das ist ein Neustart. Ein neuer Mann hat wahrscheinlich neue Ideen und neue Vorstellungen." Muchitsch geht davon aus, dass die Regierung ein Steuerentlastungspaket für die kleinen und mittleren Einkommensbezieher vorlegt.

Schwarze Hymnen

Auch innerhalb der ÖVP ist man voll des Lobes für den neuen Chef. Der Reihe nach trudelten am Mittwoch Stellungnahmen zum Obmannwechsel ein. Tirols Landeshauptmann und ÖVP-Landeschef Günther Platter zeigte sich sichtlich zufrieden und begrüßte den einstimmigen Vorstandsbeschluss. "Mit Reinhold Mitterlehner haben wir einen erfahrenen politischen Vollprofi als neuen Bundesparteiobmann."

"Ich kenne Reinhold Mitterlehner seit über 20 Jahren und bin zuversichtlich, dass es ihm gelingt, die Bundespartei wieder in die Spur zu bringen", ist Platter zuversichtlich. Im Vordergrund müsse nun wieder die konstruktive Arbeit für die Republik stehen. Die ÖVP soll dabei der Motor dieser Regierung sein. "Tirol wird sich sehr konstruktiv bei der Neuausrichtung einbringen und den neuen Obmann in seinem Kurs unterstützen", versicherte Platter.

Ebenfalls zufrieden scheint der oberösterreichische ÖVP-Chef Josef Pühringer. Er hält die Nominierung Mitterlehners zum neuen Bundesparteiobmann für "ein wichtiges Signal". Jetzt sei es wichtig, "dass der Neustart gelingt und dass die Koalition aus dem Tief herauskommt.

Und kritische Zwischentöne

Aber es gab auch kritische Reaktionen. Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek mäkelte etwa: "Das ist Krisenmanagement, aber keine Lösung des Problems." Eine solche Lösung könne es nur geben, "wenn sich die ÖVP überlegt, wofür sie steht und was sie tut", sagte Busek am Mittwoch am Rande des Forums Alpbach.

Die Diskussion, ob Mitterlehner als künftiger Vizekanzler gleichzeitig auch Finanzminister sein sollte, sei nicht so wichtig, findet Busek. Wichtiger sei, welche Themen, welche Richtung die Volkspartei verfolge. "Das ist nicht klar. Das ist die typische Handlung der ÖVP: Jetzt haben wir einen Obmann, und der ist wieder an allem schuld", kritisierte Busek.

"Geduld verloren"

Ähnlich sieht das der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer: "Wir sind froh, dass wir den Reinhold haben." Gleichzeitig ließ er aber durchblicken, dass er zwar eine rasche, nicht aber eine übereilte Entscheidung bevorzugt hätte: "Die ÖVP hat die Geduld verloren, sich eine Atempause zu nehmen und inhaltlich zu überlegen, was wir dem Koalitionspartner abverlangen."

Zwar habe er selbst den einstimmigen Vorschlag mitgetragen, nämlich aufgrund der überzeugenden Art, wie sich Mitterlehner im Vorstand präsentiert habe. Dennoch sei die ÖVP in einer latenten Krise, "mit dem Auswechseln eines Gesichts ist kein Problem gelöst".

Steirischer Problemaufriss

Schützenhöfer sieht zwei große Problembereiche: Die von der SPÖ angeführte Koalition stehe für Stillstand, die Republik sei "in Schutzhaft, weil Faymann im November wiedergewählt werden will". Insgesamt sei die Regierung von Beginn an nicht in Schwung gekommen.

Die ÖVP und der neue Obmann hätten nun dafür zu sorgen, dass der Motor durchstarte und Themen wie Budget, Pflege, Pensionen, Bildung und Steuerreform angegangen würden, "sonst wird es ein böses Erwachen geben". Es müsse einen neuen Auftritt geben, so Schützenhöfer: "Gelingt es binnen kurzer Zeit nicht, vom Stillstand weg zu einem konstruktiven Stil zu kommen, wird sich die Regierung auflösen."

Schützenhöfer: Schwarzer "Flohzirkus"

Mit der eigenen Partei geht Schützenhöfer ebenfalls ins Gericht: "Die Vorschläge der letzten Woche zur Steuerreform kamen von einem Flohzirkus der Sonderklasse: Es wusste der eine nicht, was der andere tut." Das sei letztlich auch der Grund gewesen, warum Spindeleggers Nervenkorsett "aufgebraucht" war. Für Nachfolger Mitterlehner sei es "eine Herkulesaufgabe, eine Partei der Vielfalt diskutieren zu lassen und gleichzeitig die zentrifugalen Kräfte zu bündeln, damit klar ist, wofür die ÖVP steht".

In der Steiermark habe man in der "Reformpartnerschaft" gelernt, "dass man Tag und Nacht verhandeln muss und erst dann in die Öffentlichkeit geht, wenn man eine Entscheidung mitzuteilen hat", so Schützenhöfer. Einander ständig auszurichten, was zu machen und was zu unterlassen ist, seien "Giftmischungen für das Getriebe der Koalition".

An einem Strang

Große Freude über die Bestellung Mitterlehners herrscht jedenfalls bei den Wiener Parteifreunden. Deren Obmann Manfred Juraczka lässt per Aussendung wissen: "Ich freue mich sehr, dass sich der Bundesparteivorstand der ÖVP gestern Abend für Reinhold Mitterlehner als neuen Bundesparteiobmann und damit für einen erfahrenen, engagierten und mutigen Politiker entschieden hat. Er hat meine vollste Unterstützung und genießt mein ganzes Vertrauen." Die Einstimmigkeit in der Partei zeige zudem, "dass nun alle an einem Strang ziehen, das ist die Basis für zukünftige Erfolge".

Auch Kärntens VP-Chef Christian Benger freut sich fast wortident: "Ich freue mich, dass nach kurzer Diskussion es zu einer eindeutigen und zukunftsweisenden Entscheidung mit 100 Prozent Zustimmung gekommen ist." Mit Mitterlehner habe die Partei "die beste Lösung in der heutigen Situation" gefunden.

"Vorbehaltlose" Unterstützung von Bauernbund

Auch vom Bauernbund kommt "vorbehaltlose" Unterstützung". Mitterlehner sei "klug, besonnen und verhandlungsstark genug, um die Koalition wieder auf den boden der sachlichen Regierungsarbeit zurückzuholen", hieß es in einer Aussendung. Oder mit den Worten von Bauernbundpräsident Jakob Auer: "Mit seiner ausgewiesenen Wirtschaftskompetenz, seiner politischen Erfahrung und der erwiesenen Paktfähigkeit in der Sozialpartnerschaft ist er unser Mann der Stunde."

Und die Industriellenvereinigung ließ es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass man Mitterlehner als "konstruktiven Partner" sieht wenn es darum geht, die zahlreichen dringenden Strukturreformen zügig anzugehen und keine Zeit zu verlieren. Denn: Gerade in Bezug auf die diskutierte Steuerstrukturreform brauche es nicht Ideologie und Populismus, sondern Sachverstand und langfristiges Denken.

Grüne Anregungen

Auch die Grünen haben die ein oder andere "Anregung" für den neuen ÖVP-Chef: So solle etwa das Wissenschaftsministerium aus dem Wirtschaftsministerium ausgegliedert und Vermögenssteuern eingeführt werden, findet Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Und sie wünscht sich, dass nach zwei "vollkommen finanzfremden Ministern" endlich wieder "Expertise statt Parteiideologie" in das Finanzressort einziehen möge. Mitterlehner selbst will Glawischnig als pragmatischen Verhandler kennengelernt haben. (APA, red, 27.8.2014)