Minsk/Kiew/Moskau - Warten auf Wladimir: Treffen mit dem Kremlchef sind für alle Gesprächspartner eine Geduldsprobe. Egal, ob Heinz Fischer, die englische Queen oder US-Präsident Barack Obama - alle wurden schon mit Wladimir Putins chronischer Unpünktlichkeit konfrontiert. Angesichts der gespannten Beziehungen zwischen Kiew und Moskau durfte sich Petro Poroschenko wohl glücklich schätzen, dass sich sein Visavis bei dem von Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko organisierten Treffen in Minsk nur drei Stunden verspätete.
Wer auf einen schnellen Durchbruch beim Krisengipfel gehofft hatte, wurde trotz des demonstrativen Handschlags der beiden Staatschefs im Beisein von EU-Außenkommissarin Catherine Ashton enttäuscht: Bei den Dreierverhandlungen zwischen EU, Zollunion und der Ukraine über die Folgen einer Assoziation zwischen Kiew und Brüssel blieben die Streitparteien bei ihren Positionen. Während Poroschenko erklärte, das Abkommen berge keinerlei Risiko für die Nachbarn im Osten, bezifferte Putin die Verluste allein für Russland auf über zwei Milliarden Euro und drohte an, die bisherigen Vereinfachungen für ukrainische Exportwaren in der Zollunion zu streichen.
Auch bei der Frage nach der Lösung des Konflikts in der Ostukraine gibt es weiter Differenzen: Während Poroschenko Russland, Weißrussland und Kasachstan dazu aufrief, den von ihm vorgelegten Friedensplan zu unterstützen, beharrt der Kreml auf einer Einbeziehung der Separatistenführer in Verhandlungen. "Die scharfe Krise ist mit einer weiteren Eskalation der Gewalt, ohne die Interessen der südöstlichen Regionen des Landes zu berücksichtigen, und ohne friedlichen Dialog mit ihren Vertretern nicht zu lösen", sagte Putin dazu in Minsk.
Ansatzpunkte für einen Kompromiss gibt es: "Ich verstehe, dass alle involvierten Spieler würdevoll aus der entstandenen Lage hervorgehen wollen. Wir sind bereit, verschiedene Varianten zu erörtern, die eine solche Auswegsstrategie ermöglichen", sagte Poroschenko.
Für Poroschenko sind Fortschritte bei der Konfliktlösung in der Ostukraine essenziell. Nachdem er am Montag das Parlament aufgelöst hat, hofft er darauf, bei den vorgezogenen Wahlen im Oktober eine starke Fraktion ins Parlament zu bringen, die seinen Kurs unterstützt. Noch liegt Poroschenkos Partei "Solidarnost" in Umfragen vorn, doch die Fortsetzung der Militärkampagne birgt gewaltige Risiken. Zuletzt musste der ukrainische Präsident eine "Verschlechterung" der Lage an der Front eingestehen.
Fallschirmjäger "verirrt"
Allerdings steht auch Putin unter Druck: wirtschaftlich, weil die Sanktionen Wirkung auf das BIP-Wachstum zeigen. Politisch, weil das Verteidigungsministerium einräumen musste, dass russische Soldaten auf ukrainischem Gebiet gefangengenommen wurden. Die Erklärung, die Fallschirmjäger hätten sich bei einer Grenzpatrouille verirrt, wirft zumindest Fragen auf.
Unter Umständen ist die Hoffnung auf einen Erfolg des Krisengipfels begründet. Allerdings wird in Minsk wohl erst der Anfang gesetzt werden. (André Ballin, DER STANDARD, 27.8.2014)