Klosterneuburg - Eine geistige Behinderung liegt laut gängiger medizinischer Definition bei einem Intelligenzqotienten (IQ) von unter 70 vor. Betroffen sind etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung.

Dabei handelt es sich allerdings um eine sehr heterogene Erkrankung - und in den meisten Fällen ist es sehr schwierig, die genetische Ursache dafür festzustellen. Ein Forscherteam um Gaia Novarino vom IST Austria identifizierte nun Mutationen in einem Gen namens SETD5 als Risikofaktoren für eine Behinderung. Die Ergebnisse wurden im "European Journal of Human Genetics" veröffentlicht.

Das Forscherteam untersuchte die Gene von 300 Kindern mit ungeklärter geistiger Behinderung um Gene zu finden, die für diese Erkrankung verantwortlich sein könnten. Sie suchten nach Genen, die sich zwischen den Kindern und deren Eltern unterschieden - vorausgesetzt, die Eltern waren nicht selbst von einer Erkrankung betroffen. Treten nämlich Veränderungen in den selben Genen in unterschiedlichen Kindern auf, ist es wahrscheinlich, dass diese Gene eine Rolle bei der Erkrankung spielen.

Folgenreiche Mutationen von SETD5

Die Forscher fanden tatsächlich neue Mutationen in einem Gen namens SETD5 in zwei Kindern. In vier weiteren Kindern fanden sie Deletionen, das heißt, dass eine ganze Kette der Gensequenz fehlte.

Novarino und ihre Kollegen untersuchten was passiert, wenn SETD5 mutiert. Sie verglichen das normale mRNA Transkript von SETD5, das die Anweisungen an die protein-erzeugende Maschinerie der Zelle liefert, mit den mRNA Transkripten der mutierten Gene von Patient 1 und 2. Dabei entdeckten sie, dass es weniger Transkripte mit Mutation als ohne Mutation gibt. Dafür ist ein Kontrollmechanismus verantwortlich, der fehlerhafte mRNA Transkripte entfernt. Patienten mit Mutationen in SETD5 haben daher weniger SETD5 Protein im Gehirn und entwickeln vermutlich so eine geistige Behinderung.

Spontane Änderungen in Genen sind ein sehr seltenes Ereignis. Daher macht die Entdeckung von zwei Mutationen und vier Deletionen im selben Gen in Kindern mit geistiger Behinderung es sehr wahrscheinlich, dass SETD5 eine Rolle bei der Erkrankung spielt. (red, derStandard.at, 25.8.2014)