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Ob jemand eher Lang- oder Kurzschläfer ist, wird durch ein bestimmtes Gen mitbestimmt.

Foto: APA/Neubauer

Philadelphia/Wien - Für Spitzenpolitiker und noch ein paar andere Jobs ist es gleichsam eine Berufsvorbedingung: Fünf Stunden Schlaf pro Nacht sollten reichen, um am nächsten Tag wieder fit und konzentriert zu sein. Und auch längerer Schlafentzug darf zu keinen physischen oder psychischen Problemen führen.

Warum aber brauchen erwachsene Menschen im Normalfall sieben bis neun Stunden Bettruhe, während andere mit sehr viel weniger auskommen? Ist es bloß Training, oder gibt es so etwas wie ein individuelles, aber biologisch begründetes Bedürfnis?

Ein internationales Forscherteam um Renata Pellegrino vom Children's Hospital in Philadelphia hat in einer neuen Studie das natürliche Schlafbedürfnis von 100 zweieiigen Zwillingspaaren getestet, die mit unterschiedlich wenig Schlaf auskamen. Die Untersuchung ihrer DNA zeigte, dass Kandidaten mit bestimmten Veränderungen auf Gen D2C2, das auch als BHLHE41 bekannt ist, durchschnittlich fünf Stunden schliefen. Das bestätigte eine frühere Studie, die erstmals Zusammenhänge zwischen Veränderungen dieses Gens und der Schlafdauer festgestellt hatte.

Doch nun entdeckten die Forscher weitere DNA-Varianten. Und um die Ergebnisse noch besser abzusichern, wurden die Testpersonen mehr als eineinhalb Tage lang unter Schlafentzug gesetzt und mussten nach diesen 38 Stunden einen Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungstest machen. Wie Pellegrino und Kollegen berichten, machten die Probanden mit der DNA-Mutation um 40 Prozent weniger Fehler als ihre jeweiligen Zwillinge. Zudem benötigten sie nach dem Schlafentzug eine kürzere Erholungsphase: Sie blieben nach der langen Wachphase nur acht Stunden im Bett, während ihre Zwillingspartner neuneinhalb Stunden schliefen, ehe sie sich wieder fit fühlten.

Die Forscher gehen davon aus, dass die genetisch begünstigten Kurzschläfer ihre Zeit im Bett effektiver nützen; ihre Tiefschlafphase war nicht kürzer als die der "Langschläfer", reduziert waren die REM-Phasen, in denen unser Körper relativ aktiv ist und sich die Augen schnell bewegen. An Träume dieser Phase kann man sich besonders häufig erinnern.

Erklären lässt sich das womöglich mit einer Entdeckung, die erst vor knapp einem Jahr gelang: Forscher berichteten im Fachmagazin "Science über eine Art "Wasserspülung" im Hirn: Dieses verzweigte Leitungsnetz aus speziellen Zellen pumpt Hirnwasser und Abfallstoffe unter Druck aus dem Denkorgan und übt damit eine ähnliche Funktion aus wie die Lymphbahnen im Körper. Es könnte also sein, dass diese nächtliche Gehirnwäsche bei den Kurzschläfern einfach schneller funktioniert. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 23.8.2014)