In Ferguson war Eric Holder alles: Justizminister, Sozialarbeiter und Friedensstifter in einer Person. In dem von Unruhen erschütterten Vorort der Stadt St. Louis hat er nach Kräften versucht, die Wogen zu glätten. Ob seine Bemühungen Früchte tragen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat Holder deutlich gemacht, dass sein Ressort die lokale Polizei genauer unter die Lupe nehmen will; nicht nur die Causa Michael Brown, die Schüsse, mit denen der Beamte Darren Wilson den schwarzen Teenager tötete.

Holder erwägt, wegen systematischer Verletzung der Bürgerrechte zu ermitteln. Die Schilderungen der aufgebrachten Bewohner Fergusons, nach denen sie tagtäglich diskriminierenden Polizeimethoden ausgesetzt sind und vor allem junge schwarze Männer von vornherein als Gefahr einstuft werden - er will ihnen auf den Grund gehen.

Als Holder vereidigt wurde, schrieb er Geschichte. Der 82. Justizminister der USA war der erste Afroamerikaner auf dem Posten; ein Immigrantensohn aus der Bronx, dem ärmsten der fünf New Yorker Stadtteile. Vor zwei Jahren stand er im Mittelpunkt einer erbitterten Kontroverse. Da wollte ihn die konservative Mehrheit des Repräsentantenhauses zur Rechenschaft ziehen. Es lag an "Fast and Furious", einer hochriskanten Undercover-Aktion: Um Schmuggler vor Gericht zu bringen, hatten es Agenten des Justizressorts zunächst unterlassen, 2000 illegal verhökerte Waffen zu konfiszieren, die für mexikanische Drogenkartelle bestimmt waren.

Holder hat Drohnenangriffe gerechtfertigt, er ließ aggressiv gegen Journalisten ermitteln, um deren Quellen aufzuspüren. Im Hexenkessel von Ferguson aber ist der verheiratete Vater dreier Kinder vor allem eines: ein Politiker mit dunkler Haut, der die Polizeischikane nachvollziehen kann, über die heranwachsende Afroamerikaner klagen. Er hat sie erlebt.

Auf der Turnpike New Jerseys, der Autobahn quer durch den Ostküstenstaat, wurde er selbst in jungen Jahren von einer Streife angehalten. "Ich erinnere mich, wie erniedrigend das war und welche Wut ich empfand."

Später, schon Staatsanwalt, sprintete er eines Abends durch Georgetown, Washingtons nobelstes Viertel, um den Beginn eines Kinofilms nicht zu verpassen. Worauf ihn Ordnungshüter stoppten - wohl weil sie in ihm einen fliehenden Ladendieb vermuteten. "Da war ich kein Kind mehr", sagt Holder, "da war ich schon angestellt im Justizministerium." (Frank Herrmann, DER STANDARD, 22.8.2014)