Essen per Mausklick: Lieferservices erfreuen sich wachsender Beliebtheit - nicht nur bei Couch Potatoes.

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Am Anfang war die Schachtel: Davor pickt der Käse an der Alufolie, der Paradeiser saftelt durch das Butterpapier, ohne Pizza-Karton kein Pizza-Transport. Als 1964 das Patent für die noch heute gebräuchliche Schachtel in den USA eingereicht wurde, haben sich die Pizzabäcker schon länger den Kopf zerbrochen, wie der Gast denn seinen Fladen ohne größere Verluste beim Transport mit nach Hause nehmen kann. Nach Österreich brachte die Idee Adolf Platzl mit dem Pizzamann nach Linz. Ein Selbstläufer war die Sache im Jahr 1986 nicht, berichtet Sohn Oliver Platzl, der heute mit seinem Bruder Alexander die Geschäfte führt: "Für die Linzer war es damals eine totale Neuheit, Pizzen geliefert zu bekommen. Anfangs kamen die Kunden mit der eigenen Verpackung, weil sie nicht wussten, was Hauszustellung bedeutete."

Heutzutage landet nicht nur die Pizza in der Schachtel und im Transporter, Essen zu bestellen gehört vor allem im städtischen Bereich zum festen Bestandteil des Lebens. Wieviel oder wie häufig die Österreicher Essen bestellen, dazu ist kein valides Zahlenmaterial vorhanden. Dass der Markt wächst, davon gehen Essenslieferanten, Wirte, Dienstleister, Player wie McDonald's - also alle jene, die in der einen oder anderen Weise mit dem Service zu tun haben - aus. Wer in dem Geschäft richtig Geld verdient oder Lieferservice nur anbietet, um Marktanteile zu halten, ist derzeit schwer abzuschätzen, denn mit Zahlen halten sich die Protagonisten allgemein bedeckt.

Wachsender Markt

Mjam.at gehört neben lieferservice.at zu den Big Playern unter den Bestellplattformen in Österreich. 2008 gegründet, ist mjam.at mit rund 750 Partnerrestaurants in rund 50 Städten des Landes vertreten. Je nach Restaurant, aber im Schnitt zehn Prozent Provision kassiert die Plattform dafür. Absolute Zahlen wolle man nicht nennen, jedoch hätten sich die Bestellungen in den letzten drei Jahren verdoppelt, so Angelo Laub, Gründer und Geschäftsführer von mjam.at. Ob Sammelbestellungen für Büros, private Freundesrunden oder Lust auf ein Spontan-Picknick – die Nachfrage steigt. Ob von 50 auf 100 oder 5000 auf 10.000, die Zeit für solche Wahrheiten scheint noch nicht gekommen.

Die Essensbestellseite lieferservice.at gehört zum niederländischen takeaway.com, das vor fast 15 Jahren von Jitse Groen gegründet wurde. Seit 2008 ist die Seite auch mit österreichischer Kennung abrufbar – ebenfalls mit steigendem Erfolg. Mehr als 1.000 Restaurants in ganz Österreich sind auf der Plattform zu finden, die meisten in Wien, heißt es vom Firmengründer Groen. Von den Partner-Wirten verlangt lieferservice.at acht Prozent Provision, mit größeren Ketten gebe es eigene Vereinbarungen. Im Jahr gehen ungefähr 1,2 Millionen Bestellungen ein. Pizzamann Oliver Platzl ortet gerade durch diese neuen Player Wachstumschancen, "weil die Kunden immer weniger Zeit haben und mehr Service in Anspruch nehmen. Plattformen wie mjam.at oder lieferservice.at geben vor allem kleinen Betrieben die Möglichkeit, werblich präsent zu sein. Für große Unternehmen ist es ein zusätzlicher Kanal, Kunden mit Fast-Food-Ambitionen anzusprechen."

Schweinsbraten vom Wirten am Eck

Ob ein Gastroservice im Hintergrund hilfreich ist oder die Sache besser von der Service-Seite aufgezogen wird, will Platzl nicht abschätzten. In der Gastronomie-Branche hat man jedenfalls auch erkannt, dass an der Lieferung von Schweinsbraten und Mohnnudeln zuweilen kein Weg vorbei führt. Auch nicht für den Wirten ums Eck, sagt Willy Turecek, Obmann der Wiener Gastronomen in der Wirtschaftskammer. "Der Wirt wird immer mehr zum Nahversorger", so Turecek.

Die Wirtin aus dem Grätzel, die den Senioren in der Umgebung das Menü vorbeibringt oder den Lehrling mit den Thermoverpackungen losschickt, das sei kein Einzelfall mehr. Natürlich sei das nicht immer ganz unproblematisch: Das Service Lieferung als Zusatzdienst zum stationären Wirtshaus kostet Personal und damit auch Geld. Nicht jeder Wirt kann oder will sich das leisten. Das alles ändert aber nichts daran, dass der Trend eindeutig in die Lieferschiene zeigt. Der Konsument fragt die Dienstleistung nach, und nimmt entsprechende Angebote auch an.

Zubrot für Systemgastronomie

Selbst die Systemgastronomie will den Trend zum Liefer-Geschäft nicht weiter ignorieren. McDonald’s Österreich ist im September vergangenen Jahres auf den Zug aufgesprungen. Bis dato gab es einen Lieferservice nur in Asien und in der Türkei im Raum Istanbul. Hierzulande blieb den Kunden die Zustellung lange mit dem Argument verwehrt, man könne die gewohnte Qualität nicht gewährleisten. Boxen mit integrierter Wärmeplatte sollen nun sicherstellen, dass Burger und Pommes warm zu Hause ankommen.

Bei einem Umsatz von 560 Millionen Euro im vergangenen Jahr und 157 Millionen Gästen ist der Lieferservice so etwas wie ein Zubrot, geht also nicht auf Kosten von Lokalbesuchern oder Drive-in-Gästen. Gab es vorerst nur insgesamt vier Filialen in und um Wien, war in der Bundeshauptstadt mit "Beginn des ersten Tages der Fußballweltmeisterschaft bereits jeder Bezirk mit dem Lieferservice abgedeckt", so Ursula Riegler, Unternehmenssprecherin von McDonald's Österreich. "Flächendeckend" sei das Service aber nicht. Bedient werden Kunden nur in einem sinnvollen Umkreis der Filiale, wo eine optimale Zustellung gesichert ist, sagt Riegler. Soll heißen, die Wartezeit zwischen Bestellung und Eintreffen der Lieferung dauert laut Unternehmensangaben etwa 30 bis 45 Minuten. Der Mindestbestellwert liegt bei acht Euro, dazu kommen vier Euro für die Zustellung, eine Gebühr, die die Fahrerkosten abdeckt.

"Von Wien lernen"

Zustellpartner ist das Online-Bestellservice mjam.net, bestellt wird ausschließlich online, die Bezahlung erfolgt bargeldlos. Detailzahlen will das Unternehmen ebenso nicht preisgeben. Nur so viel: Das Feedback der Kunden sei sehr positiv und man denke darüber nach, das Service auch bundesweit anzubieten. Einen Zeitplan gebe es dafür aber nicht. Riegler: "Derzeit beobachten wir und lernen von Wien."

Burger King beliefert in den USA seit 2012 mittlerweile 16 Städte, Zustellungen gibt es auch in der Türkei und im Nahen Osten. In Deutschland bietet das Unternehmen aktuell auf lokaler Ebene Lieferdienste an, die eigenständig von den Franchisenehmer angeboten und umgesetzt werden, so zum Beispiel in Greifswald. Ein nationale Einführung in Deutschland oder Österreich sei aktuell jedoch nicht geplant, wie es aus dem Unternehmen heißt.

Was Lieferpionier Oliver Platzl gelernt hat, ist vor allem, dass Flexibilität gepaart mit Innovationsfreude zu den Erfolgsfaktoren gehört: "Viele Kunden suchen noch immer das persönliche Gespräch und bestellen lieber über ein professionelles Call Center. Trotzdem ist ein Boom in Richtung mobile Bestellung erkennbar. Eine eigene Bestell-App war deswegen wichtig. Hier profitiert der Kunde von Vorteilen, die er bei Bestellungen über Plattformen nicht nutzen kann - zum Beispiel Treuepunkte, Aktionen."

Der letzte Schrei

Dass sich für die Sache nicht nur Profis interessieren, beweist der Deutsche Florian Tolkmitt mit seiner Plattform deeliva.com. Seine Idee: Privatpersonen beliefern Privatpersonen aus der Nachbarschaft. GPS per Handy ermöglicht die Lieferung an jeden Ort. Wobei mit "Ort" derzeit ausschließlich Frankfurt am Main gemeint ist. Angesprochen werden Studenten, Arbeitslose oder mobile Senioren, die ein bisschen dazu verdienen möchten, wie Tolkmitt erklärt. Neben dem Sozialaspekt zählt für den 36-Jährigen der Nachhaltigkeitsgedanke: Je nach Art der Zustellung, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto, will er künftig eine Provision zwischen fünf und zwanzig Prozent einheben. Noch funktionieren die Bestellungen webbasiert, doch Tolkmitt bastelt mit seinem Team bereits am Prototypen einer App, die in den nächsten Wochen, also noch im Sommer, in Betrieb gehen soll. Läuft alles nach Plan, soll die Plattform in drei Jahren Gewinne abwerfen.

Zurück nach Österreich: Seit rund eineinhalb Jahren stellen Lieferanten von HeimSchmecker Essen aus gehobenen Restaurants innerhalb Wiens zu. Über die Crowdinvesting-Plattform Conda versuchten die Unternehmensgründer Michael Ploberger und Caroline Sarrazin Investoren zu finden. Die Vision: Das Service auch in München anzubieten. Die Kampagne lief drei Monate. Doch obwohl Conda den Wert des Unternehmens auf 300.000 Euro schätzte, blieb der erhoffte Erfolg aus. Statt der angestrebten Finanzierungsschwelle von 50.000 Euro kamen lediglich 13.000 zusammen. Zu groß sei wohl die Unsicherheit auf Investorenseite gewesen, dass der Unternehmenswert zu steigern sei, heißt es von Conda. Dass sowohl Idee als auch Konzept "sehr gut" seien, daran wolle man jedoch nicht rütteln. (Regina Bruckner, Daniela Rom, Sigrid Schamall, derStandard.at, 21.8.2014)