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Ein anderer Weg ist möglich: Das forderten Demonstranten am Wochenende in Tel Aviv. In Wien wurde dieser beschritten.

Foto: Reuters/Baz Ratner

Der Krieg zwischen Israel und Gaza hat uns wieder in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt. Die sozialen Netzwerke gleichen einem Schlachtfeld. Es gibt Demonstrationen und Gegendemonstrationen, zerstörte Geschäfte und Angriffe auf Synagogen. Fußballspieler werden attackiert, und Teilnehmer von Fernsehdiskussionen rasten aus und hetzen danach gegen Mitarbeiter der Medien. Es ist deutlich, dass Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus keine Randprobleme kleiner radikaler Gruppen sind, sondern mitten in der Gesellschaft fest verankert - und das seit Jahrhunderten.

Wir, die Organisatoren und Teilnehmer der Muslim Jewish Conference (MJC), wollen das nicht akzeptieren. Und wir versuchen das angeblich "Unmögliche:" durch Interaktion und Dialog Vorurteile abzubauen.

Die Muslim Jewish Conference arbeitet kontinuierlich seit fünf Jahren an einem Zukunftsbild. Wir wollen nicht weiter mit dem Hass leben. Wir weigern uns, die Umstände hinzunehmen, und versuchen, den Widerspruch zur Sprache zu bringen. Und so bringen wir seit fünf Jahren junge Juden und Muslime zusammen und zerstören über Generationen aufgebaute Vorurteile.

Aus allen Ecken dieser Welt kamen Teilnehmer zu unserer fünften Konferenz nach Wien und arbeiteten gemeinsam an Projekten, um die Verhältnisse auf der ganzen Welt zu verbessern: Wir sprachen über Themen wie Antisemitismus und Islamophobie, Konflikttransformation oder kollektive Erinnerung, und wir hörten zu. In verschiedenen Arbeitsgruppen produzierten wir gemeinsame Projekte, die nach der Konferenz weitergeführt werden.

Wir besuchten gemeinsam eine Moschee und eine Synagoge und besprachen, was Glaube für uns bedeutet. Eine Fahrt nach Mauthausen war ebenso geplant wie ein Stunde mit Gastrednern von der Friedensorganisation "Combatants for Peace", einer Initiative ehemaliger israelischer und palästinensischer Kombattanten, die sich der gewaltlosen Kommunikation und Interaktion verschrieben haben. Auch den Genozid in Srebrenica besprachen wir, mit Unterstützung von Experten. Nicht zuletzt war es ein ganz besonders bedeutsames Erlebnis, als uns eine der letzten Überlebenden der Shoah ihre persönliche Geschichte erzählte.

Wir tun nichts Außergewöhnliches, denn weder zaubern wir, noch erfinden wir das Rad neu. Aber wir sind entschlossen, miteinander statt übereinander zu sprechen, und wollen erreichen, einen Gedanken zu unterhalten, ohne ihn unbedingt akzeptieren zu müssen; eine Emotion zu respektieren, ohne sie unbedingt teilen zu müssen. Wir glauben daran, dass die Religion oder die Farbe des Passes nichts über einen Menschen aussagen.

Gemeinsame Deklaration

2010 fand die erste Muslim Jewish Conference in Wien statt. Zum allerersten Mal kamen 65 Teilnehmer aus mehr als 20 Ländern in einem solchen Rahmen zusammen. Damals haben wir eine gemeinsame Deklaration verfasst. Eine Idee war geboren und wird seither realisiert.

Ein Jahr später trafen wir uns in Kiew in der Ukraine, um mit 75 Teilnehmern aus 28 Ländern einen Schritt weiter zu gehen. Aus der Deklaration wurden gemeinsame Projekte, die während der MJC entstanden sind. Im Zuge der Konferenz fuhren wir gemeinsam zur Holocaustgedenkstätte nach Babi Yar. Als Muslime dort spontan das Totengebet sprachen, weinten Juden aus Freude und Trauer zugleich.

Diese Erfahrung machten wir wieder, als wir 2013, während unserer bereits vierten MJC in Sarajevo, Bosnien und Herzegovina, gemeinsam die Gedenkstätte in Srebrenica besuchten. Dieses Mal beteten wir gemeinsam, zuerst nach muslimischer, dann nach jüdischer Tradition.

Die Veränderung, die solche Momente in uns bewirken, sind der Grund dafür, an dieses Projekt zu glauben und weiterhin an einer Verbesserung zu arbeiten.

Denken wir zurück an unsere Anfänge als Studentenorganisation, ist es für uns besonders bedeutsam, hochrangige Unterstützer gewonnen zu haben: den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton ebenso wie die Präsidenten Heinz Fischer oder Bakir Izetbegovic, die Minister Sebastian Kurz und Josef Ostermayer ebenso wie Andrey Azoulay, den Berater des marokkanischen Königs, oder David Rosen, den ehemaligen Oberrabbiner von Irland.

Heuer feierten wir unser Fünf-Jahr-Jubiläum - mit 100 Teilnehmern aus 38 Ländern und 40 Freiwilligen aus der ganzen Welt. Und ja, auch Israelis und Palästinenser kamen für die Muslim Jewish Conference nach Wien angereist. (DER STANDARD, 18.8.2014)