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Überall dabei, jetzt gesucht: Zwetan Wassilew (Bild: Abbildung im Kloster Gigintsi), Chef der Corporate Commercial Bank, hat unter anderem Mehrheitsanteile beim bulgarischen Mobiltelefonbetreiber Vivacom.

Foto: REUTERS/Stringer

Sofia/Athen - Bis vor kurzem galt er als Bulgariens einflussreichster Finanzier, jetzt ist er auf der Flucht: Knapp zwei Monate nach einem Kassensturm auf die Coporate Commercial Bank (CCB) in Sofia hat die bulgarische Staatsanwaltschaft einen bisher geheimen Haftbefehl gegen Zwetan Wassilew, den Mehrheitseigner der Bank, öffentlich gemacht. Wassilew hielt sich zuletzt in Wien auf, weil er sich von einem Exgeschäftspartner bedroht fühlte.

Vorgeworfen wird dem 55-Jährigen Untreue in besonders schwerem Maß. Laut Anklage soll Wassilew mithilfe zweier Mitarbeiter zwischen 2011 und 2014 insgesamt 206 Millionen Lewa - umgerechnet 105 Mio. Euro - von der Bank abgezweigt und an eines seiner Unternehmen überwiesen haben. Wassilew wies den Vorwurf in den vergangenen Wochen von Wien aus mehrmals zurück. Vorladungen der Staatsanwaltschaft in Sofia zur Einvernahme folgte er nicht. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Falls erstreckt sich auch auf die Nationalbank in Sofia. Ihr wird ebenfalls Untreue vorgeworfen. Noch vergangenen Mai genehmigte die Nationalbank den Kauf der Crédit Agricole Bulgaria durch die CCB und bestätigte dabei die Solidität von Wassilews Bank. Nur einen Monat später soll alles ganz anders sein.

Ermittlungen

Gegen Zwetan Gunew, einen Vizegouverneur der Nationalbank, der für die Bankenaufsicht zuständig ist, eröffnete die Staatsanwaltschaft im Juni Ermittlungen. Gunew war allerdings erst 2013 auf diesen Posten gerückt. Nationalbankgouverneur Iwan Iskrow sitzt hingegen seit 2003 auf dem Chefsessel - in jenem Jahr übernahm Wassilew auch die CCB. Dass Iskrow elf Jahre lang etwaige Verstöße gegen Kreditvergaberegelungen bei der CCB entgangen sein könnten, glaubt niemand in Sofia. Iskrow bot mittlerweile seinen Rücktritt an.

Regierung, Parlament und Behörden wirkten kopflos, als die Nationalbank am 20. Juni die nach massiven Geldabhebungen in Schieflage geratene CCB übernahm. Iskrow kündigte die Insolvenz der Bank an und die Übertragung aller Guthaben auf die Tochterbank Crédit Agricole Bulgaria. Doch das Parlament lehnte ab: zu kostspielig für den Staat - und politisch zu sensibel. Denn die CCB mag nur das viertgrößte Geldinstitut Bulgariens sein, doch eine Vielzahl von Staatsunternehmen und Stadtverwaltungen haben ihre Konten dort, ebenso wie eine Reihe vermögender Privatleute aus Politik und öffentlicher Verwaltung, wie in Sofia spekuliert wird. Diese wollen weder ihr Geld verlieren noch ihre Identität preisgeben.

Keine Auszahlungen

Seither wird vertagt und verschoben. Rund 200 Konteninhaber protestierten zu Wochenbeginn vor dem Sitz der CCB im Sofioter Zentrum. Die Aufforderung der EU-Kommission, nun endlich mit der Auszahlung der staatlich garantierten Einlagen bis zu 100.000 Euro zu beginnen, wies die bulgarische Nationalbank zurück: Es gebe ja noch keine Entscheidung über eine Insolvenz. Auch ein Bond der CCB in Höhe von 150 Mio. Dollar wurde am 8. August fällig, ohne dass Nationalbank oder Regierung reagierten.

Der Chef einer politischen Splitterpartei reichte derweil bei der EU-Kommission eine Klage gegen den bulgarischen Staat ein: Der Kollaps der CCB sei von Regierung, Justiz und Wassilews Exgeschäftspartner Deljan Peewski und dessen Medien orchestriert worden, gab Boschidar Tomalewski an. Statt der CCB eine Kreditlinie einzuräumen wie wenig späte der First Investment Bank, habe der Staat am 20. und 25. Juni insgesamt 29 Millionen Euro abgezogen. (Markus Bernath, DER STANDARD, 14.8.2014)