Korneuburg - Das Redaktionsgeheimnis ist ein hohes Gut, leben Journalisten doch auch von Tippgebern. Wenn der Hinweis von einem Beamten kommt, wird es heikel, steht doch der Verdacht des Verrats des Amtsgeheimnisses im Raum, was der Grund ist, warum Chefinspektor Johann K. im Landesgericht Korneuburg vor Richter Dietmar Nussbaumer sitzt.

Die Sache ist höchst ungewöhnlich. Denn gemeinhin wissen interne Ermittler, wie heikel es ist, wenn das Redaktionsgeheimnis tangiert wird. In den meisten Fällen werden also nur die Journalisten befragt, ob sie ihre Quelle preisgeben, diese verneinen, und die Sache ist erledigt.

Nicht so im Fall des 53-jährigen Polizisten. An dessen Spuren haben sich die Fahnder des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung (BAK) geheftet, nachdem über die Auffindung der Leiche des entführten Anwaltes Erich R. in den Medien berichtet worden war.

Der von Staatsanwalt Peter Zimmermann vertretene Vorwurf: K. habe zwei Journalisten der Kronen Zeitung angerufen und ihnen über den Leichenfund erzählt, was sowohl der Angeklagte als auch sein Verteidiger Nikolaus Rast energisch bestreiten.

Warum das BAK gerade in diesem Fall so große Geschütze auffährt, bleibt offen. Die aktiven Telefongespräche aller 21 am Leichenfundort anwesenden Beamten wurden ausgewertet, auf K.s Handy tauchten die Nummern der beiden Journalisten auf.

Verteidiger Rast sagt, ihm bleibe bei den BAK-Ermittlungen "der Atem weg". Denn: Die passiven Anrufe wurden nicht überprüft. Und: "Der erste Journalist, der vor Ort war, war jemand vom Kurier!" Es müsse also auch eine andere undichte Stelle geben, zumal K., der in der Tatortgruppe arbeitet, noch gar nicht wusste, dass es sich bei der Leiche um den toten Anwalt handelt, als er zum Fundort fuhr.

Als Richter Nussbaumer den Angeklagten fragt, worüber er mit den beiden Journalisten gesprochen habe, offenbart dieser Interessantes. "Ich habe wegen einer Gratiswerbung für den Kirtag beim Gasthaus meines Schwagers angerufen." Denn der Polizeireporter habe ihm diesen Gefallen immer wieder getan. "Wissen Sie von anderen Polizeibeamten, die Gratisanzeigen bekommen?", fragt Richter Nussbaumer mit ironischem Unterton. "Nein, weiß ich nicht", lautet die Antwort.

Er habe jedenfalls den Redakteur nicht erreicht und dann dessen Kollegin angerufen, um zu fragen, wo er sei. Befreundet sei er seit einem Polizeifest mit beiden.

Nussbaumer interessiert noch etwas anderes: "Was ist Ihrer Vermutung nach die Ursache, dass Medienvertreter rasch am Tatort sind?" Der Chefinspektor gibt sich ahnungslos. "Keine Vermutung?", hakt der Richter nach. "Es gab schon einen Dreifachmord, wo der ORF vor mir am Tatort war", lautet die ausweichende Antwort.

Für Verteidiger Rast ist klar, dass der Journalist mehrere Quellen haben muss: Denn schon zwei Wochen vor dem Leichenfund hatte er Interna berichtet, die K. gar nicht wissen konnte.

Der Richter will herausfinden, ab wann die Tatortgruppe über die Identität der Leiche Bescheid wusste und vertagt auf September. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 13.8.2014)