Der durchleuchtete Mensch: Körperwerte als Daten gespeichert. Im Krankheitsfall können sich Ärzte mit der elektronischen Gesundheitsakte Überblick verschaffen.

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Die Idee hinter Elga: Im Falle einer medizinischen Betreuung sollten die behandelnden Gesundheitsdienstanbieter die notwendigen Vorinformationen parat haben.

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Die EU-Kommission ortet Verbesserungsbedarf bei Gesundheits-Apps, besonders in Sachen Datenschutz, und hat aus diesem Grund eine öffentliche Befragung gestartet. Sie schätzt, dass weltweit bereits 100.000 Gesundheits-Apps im Einsatz sind, darunter Programme, die Blutdruck messen, bei der Dosierung von Insulin unterstützen oder das tägliche Sportprogramm aufzeichnen.

Die EU ortet hier Vor- und Nachteile. Gerade Informationen zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden seien sensibel, das Datensammeln via App sei deshalb nicht unproblematisch. Gesundheitsdaten sind heißbegehrt, sie können zu Geld gemacht werden. Umgekehrt ist sich die Kommission auch der zahlreichen Vorteile von Apps bewusst. Sie hofft, damit in den kommenden Jahren bis zu 99 Milliarden im Gesundheitswesen einzusparen. "Durch die mobile Gesundheitsversorgung werden weniger teure Krankenhausaufenthalte erforderlich", erklärt Neelie Kroes, EU-Kommissarin für Digitales. Zudem würden Apps Nutzer sensibilisieren und dazu bringen, stärker auf ihre Gesundheit zu achten.

Freiwillig oder Pflicht

Während bis zu einer Regelung Apps weiterhin Daten sammeln, ist das institutionelle Vernetzen und Speichern von Daten über Krankenhäuser in der geplanten Elektronischen Gesundheitsakte (Elga) heftig umstritten. Die Idee hinter Elga: Im Falle einer medizinischen Behandlung oder Betreuung sollten die behandelnden Gesundheitsdienstanbieter die notwendigen Vorinformationen parat haben, auch Patienten selbst sollte der Zugriff möglich sein. Durch Elga erhält der behandelnde Elga-Gesundheitsdiensteanbieter Vorbefunde, Entlassungsberichte und die aktuelle Medikation seiner Patientinnen und Patienten als unterstützende Entscheidungsgrundlage für jede weitere Diagnostik und Therapie.

Schon jetzt müssen niedergelassene Ärzte Daten über zehn Jahre speichern, Spitäler 30 Jahre. Neue Befunde werden nicht zentral erfasst. Die Daten können bei Bedarf über ein Portal von den Patienten beziehungsweise vom behandelnden Gesundheitsdiensteanbieter dort abgerufen werden, wo sie liegen. Krankenkassen und Behörden dürfen nicht zugreifen. Nur Gesundheitsdienste, die einen Patienten betreuen, die E-Card als Schlüssel haben - und auch das nur zeitlich begrenzt. Missbräuchliches Verlangen oder Verwenden ist strafbar und wird sogar mit Haftstrafen geahndet werden.

Kritikern reicht das nicht. Der Staat zwinge den Bürger in ein System, von dem man sich aktiv abmelden müsse und für das am Ende keiner die Verantwortung trage. Das widerspreche dem Grundrecht auf Datenschutz, das eine Opt-in-Lösung, also das aktive Einsteigen in das System mit ausdrücklicher Zustimmung, zwingend vorschreibe, wettert die Ärztekammer. Und einer der ihren, Alfred Pixner, niedergelassener Kassenarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Wien-Brigittenau, hat deshalb beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des Elga-Gesetzes eingebracht.

Pixner: "Hier greift der Staat ohne Zustimmung des Patienten nach medizinischen Daten, und das ohne ordentlichen Rechtsschutz." Denn selbst wenn der Patient hinausoptiere, blieben die Daten in Elga, da nur Links gelöscht werden. Zudem würde Ärzten die Verantwortung für eine Datensicherheit auferlegt. Pixner gibt zu bedenken, dass er sich wegen der Möglichkeit des Patienten, einzelne Befunde oder Diagnosen herauszulöschen, nicht mehr auf Arztbrief und Befund verlassen könnte.

Technische Komponenten fehlen noch

So dramatisch scheint es nicht zu sein. Vorerst zumindest. Der Start von Elga verzögert sich nämlich. Sollten ursprünglich die ersten Krankenhäuser Mitte dieses Jahres mit dem Testbetrieb starten und Anfang 2015 die ersten Befunde ins System stellen, wird das nun erst Ende nächsten Jahres passieren. Der weitere Zeitplan mit der Teilnahme der niedergelassenen Ärzte und Apotheken ab Mitte 2016 bleibt unverändert. Länder, Krankenkassen und Gesundheitsministerium haben das Ende Juni beschlossen.

Die Krankenhäuser in Kärnten, Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Wien sowie die Spitäler der Auva sollen schrittweise ab Ende 2015 mit Elga arbeiten. Bis Mitte 2016 werden dann alle öffentlichen Krankenhäuser Elga nutzen. Ab dann können auch die Patienten ihre eigenen Befunde aus den Spitälern einsehen.

Elga-Geschäftsführerin Susanne Herbek erklärt die Verschiebung des Starts für die Spitäler damit, dass man noch verschiedene technische Komponenten sowohl zentral als auch bei den verschiedenen Krankenhausverbünden einrichten müsse. Außerdem wolle man mithilfe von Tests sowohl die Sicherheit als auch die Performance des Systems überprüfen. Nicht zuletzt, weil Kritiker dem System laufend vorwerfen, nicht sicher zu sein. Die Tests sollen mit künstlichen Daten im Herbst 2014 beginnen und Krankenhaus für Krankenhaus bis ins Jahr 2016 laufen, so Herbek. Dabei würden alle zukünftigen Funktionalitäten wie der Austausch von Spitalsentlassungsbriefen und die E-Medikation detailliert geprüft.

Dabei sind die Kliniken teilweise schon startklar. Man sei im Zeitplan, sagt etwa Werner Leodolter, Vorstand der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages). Elga soll zwar dezentral organisiert sein, viele Krankenanstaltengesellschaften legen sich aber sogenannte Affinity Domains als Plattformen zu. In der Steiermark sind alle Kliniken mit Ausnahme der Ordensspitäler der Barmherzigen Brüder und Barmherzigen Schwestern angebunden, Letztere bauen eigene Plattformen auf. Funktionalitäten sind dabei, ein Patienten- und ein Dokumentenindex, ein Index der Gesundheitsdienstanbieter, ein Berechtigungssystem, ein Datenrepository, ein Protokollierungssystem sowie ein Portal und Schnittstellen für das Lesen und Einstellen von Dokumenten.

Kostenfaktor als Argument

Derzeit drehe sich alle Aufmerksamkeit der unmittelbar Betroffenen auf die inhaltliche und technische Umsetzung der Elga-Komponenten selbst wie etwa die Affinity-Domain-Infrastrukturen, sagt ein IT-Anbieter. Kaum jemand überlegt, wie die vorhandenen IT-Systeme in Kliniken, Krankenhäusern oder Arztpraxen dann tatsächlich an diese neue Infrastruktur angedockt werden, die Elga mit sich bringen wird. "Die Vernetzung der Kages-Kliniken untereinander gibt es schon lange. Wir arbeiten auch daran, nun Elga für die Beschäftigten in den Arbeitsablauf einzubinden", sagt Leodolter.

Das sei auch ein zentrales Element, heißt es aus einem bei vielen Kliniken eingebundenen Softwarehaus. Elga werde weitgehend als Herausforderung für die Krankenhaus-IT gesehen. Doch der Schein trügt: Der eigentliche Sinn von Elga sei Prozessoptimierung und dadurch Qualitätsverbesserung und Kostensenkung. "IT ist lediglich das Werkzeug, dies umzusetzen", so der Experten hinter vorgehaltener Hand.

"Mit Elga müssen die Befunde nicht nur interaktiv, sondern auch standardisiert und strukturiert geschrieben werden", betont Leodolter. Das werde noch länger dauern. "Die erste Version ist die einfache Abbildung eines Arztbriefs. Das läuft bereits." Kern des Systems wird das Patient-Summary sein, in dem Ärzte alle Daten sichten können. Das funktioniere erst, wenn sämtliche Inputs standardisiert erfolgen. Anders formuliert: Es dauert noch, bis so viele Daten im System sind. Das Datenerfassen beginnt erst mit dem Elga-Start. Alte Daten bleiben draußen. Bis es so weit ist, wird weiterdiskutiert werden. (Martin Rümmele, DER STANDARD, CURE, 19.8.2014)