Laura Kövesi

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Immer wieder pfusche die Regierung dazwischen, beklagt Kövesi, viele Fälle könne die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft deshalb in Rumänien nur schwer aufklären.

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Die rumänische Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA steht im Kreuzfeuer politischer Gefechte. Mal wird die Behörde von Regierungspolitikern beschuldigt, sich politisch instrumentalisieren zu lassen. Mal melden Medien ohne stichhaltige Beweise, dass DNA-Chefin Laura Kövesi sich habe bestechen lassen. Bei den europäischen und internationalen Partnern genießt die DNA dagegen einen vorzüglichen Ruf - vor kurzem wurde Kövesi von der US-amerikanischen Botschaft der "Women of Courage Award" verliehen.

Die DNA erregte in Rumänien in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit. Einmal, weil die Behörde gegen Mircea Basescu, den Bruder des rumänischen Staatschefs Traian Basescu, vorgeht. Mircea soll Geld genommen haben, um für die Enthaftung eines verurteilten Clanchefs zu intervenieren. Erst in der vergangenen Woche sorgte die Verurteilung des Oligarchen Dan Voiculescu für Schlagzeilen, der den Staat im Zuge einer Privatisierung um 60 Millionen Euro betrogen haben soll.

STANDARD: Frau Kövesi, wie viele Fälle bearbeitet die DNA derzeit?

Kövesi: Im Jahr 2013 wurden in 4183 Fällen von uns Ermittlungen abgeschlossen und die Akten an die Justiz übergeben. Für Ende 2014 erwarten wir doppelt so viele Fälle.

STANDARD: Warum diese rapide Zunahme?

Kövesi: Es ist eine Kombination von Managementmaßnahmen einerseits und einem wachsenden Vertrauen der Bevölkerung. Organisatorisch wurden ineffiziente Abteilungen geschlossen, fehlende Postenbesetzungen vorgenommen. Wichtiger ist aber die große Anzahl von Bürgern, die Korruptionsdelikte anzeigen. Es handelt sich dabei um Personen, die mit unserer Aktivität vorher nicht in Berührung gekommen sind, aber auch um Anwälte, die ihren Kunden raten, die ihnen bekannten Verbrechen zu entlarven.

Durch Mundpropaganda von Personen, die direkten Einblick in DNA-Ermittlungen erhalten haben, erfahren sehr viele Menschen, dass die Staatsanwälte angezeigte Fälle ernst nehmen, und so ist die Anzahl jener, die Korruptionsverbrechen anzeigen, viel höher als früher.

Die große Anzahl der aufgedeckten Korruptionsdelikte erklärt sich nicht dadurch, dass deren Häufigkeit ansteigen würde, sondern dadurch, dass wir sie mittlerweile viel effizienter bekämpfen. Auch weiten wir unseren Fokus auf bislang eher vernachlässigte Bereiche aus - Sport, Gesundheitswesen, öffentliche Anschaffungen.

STANDARD: Ist das ein Hinweis auf eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung?

Kövesi: Durch die in den vergangenen sieben bis acht Jahren erfolgten Verurteilungen und laufend neu eröffnete Fälle ist für jeden offensichtlich, dass das Gesetz mittlerweile für alle gleich ist: egal ob Minister oder Parlamentarier. Auch die Mentalität ändert sich: Früher war man es gewohnt, dass ein Problem nicht ohne Bestechung des zuständigen Beamten gelöst werden konnte - oft sind Anzeigen gerade durch den Wunsch motiviert, nicht mehr darauf angewiesen zu sein.

STANDARD: Dennoch wird Ihnen von zahlreichen Politikern ständig vorgehalten, Ihre Ermittlungen seien politisch gesteuert.

Kövesi: Es gibt keine parteipolitisch motivierten Fälle, sondern Fälle, welche Parteimitglieder oder Personen mit politischen Ämtern anvisieren. Es gibt Ermittlungen gegen Parlamentarier aller Parteien, gegen Minister aus unterschiedlichen Regierungen. Sehr viele der Fälle, in denen es um Politiker geht, beruhen nicht auf der Eigeninitiative der DNA, sondern auf Beschwerden, die manchmal sogar von Parteikollegen oder ehemaligen Parteikollegen der betreffenden Politiker eingebracht wurden.

STANDARD: In praktisch jedem wichtigen Fall solidarisieren sich hochrangige Politiker bis hin zu Premier Victor Ponta mit den Verurteilten. Warum?

Kövesi: Nicht allein die Aussagen von Politikern sind ein Beweis für den mangelnden politischen Willen im Kampf gegen die Korruption unter hochrangigen Politikern in Rumänien. Der mangelnde Wille wird vor allem sichtbar, wenn das Parlament seine Einwilligung zur Festnahme angeklagter Parlamentarier verweigert. Für jeden anderen Bürger kann in ähnlichen Situationen vor einem Richter eine Untersuchungshaft beantragt werden - für Parlamentsmitglieder jedoch ist das Gesetz nicht dasselbe, sondern es sichert ihnen aufgrund der Immunität Privilegien.

Heuer hat das Parlament unsere Anträge auf Untersuchungshaft gegen Parlamentarier ausnahmslos abgelehnt. Interessant ist dabei, dass dieser Zusammenhalt unabhängig von der Parteizugehörigkeit sehr gut funktioniert hat - unsere Anträge wurden für Regierungs- und Oppositionsparlamentarier gleichermaßen abgelehnt.

STANDARD: Zuletzt erregte es Aufsehen, dass ein Staatsanwalt nach dem Abschluss seiner Ermittlungen gegen den Vizepremier Liviu Dragnea abgesetzt wurde. War das ein Angriff auf die Justiz?

Kövesi: Ja, die Personalpolitik des Justizministers ist eine Gefahr - er kann jederzeit die Absetzung von Staatsanwälten einfordern. Es gibt außerdem die Gefahr, dass durch Gesetzesänderungen die Befugnisse der DNA komplett beschnitten werden - zum Beispiel, dass wir keine Gespräche mehr abhören oder verdeckte Ermittlungen durchführen dürfen.

STANDARD: Das Abhören von Gesprächen ist in Rumänien ein Schreckgespenst geworden. Ist die DNA eine Art rumänische Version des US-Geheimdienstes NSA?

Kövesi: Keinesfalls. Dazu hätten wir keine ausreichenden Ressourcen, weder in puncto Personal noch bei der Finanzierung. Auch muss eine Erlaubnis von einem Richter vorliegen. Es gibt ganz klare gesetzliche Vorgaben, wann Gespräche abgehört werden dürfen, es müssen feste Indizien, Daten, Beweise für mögliche Korruptionsdelikte vorliegen, bevor abgehört werden darf.

STANDARD: Eigentlich ist mit der EU vereinbart, dass die Antikorruptionsgesetze in Rumänien nicht abgeändert werden dürfen. Sehen Sie darin eine Stütze und Garantie?

Kövesi: Sicher, die Tatsache, dass wir ein EU-Staat sind und die Regeln der EU-Kommission einhalten, müsste ein Verteidigungsmechanismus sein. Das Beobachtungsverfahren der EU-Kommission für die Justizreform in Rumänien hat sehr gut funktioniert.

Ich glaube aber, dass es auch eine Reform von innen geben müsste. Es ist nicht normal, dass wir bei jeder Gesetzesänderung eine Beurteilung durch die EU-Kommission oder die europäischen Botschaften erwarten, die dann beanstanden, dass sie europäischen Normen widerspricht. Bislang war das fast immer so, aber ich hoffe, dass sich dies ändern wird und die Politik eine Mündigkeit erwirbt, die ihr erlaubt, selbstständig tragbare Standards aufzustellen.

STANDARD: Was müsste in den nächsten Jahren für eine noch effizientere Korruptionsbekämpfung und den Rechtsstaat in Rumänien geschehen?

Kövesi: Unter anderem müsste es einen deutlicheren politischen Willen zur Bekämpfung der Großkorruption geben und mehr Präventivmaßnahmen - es kann nicht sein, dass die DNA alle Ärzte oder Lehrer verhaften muss, bevor wir gegen die Korruption im Gesundheitssystem oder im Bildungswesen vorgehen. Systemischen Anfälligkeiten kann effizient vorgebeugt werden.

STANDARD: Sie haben einen TV-Sender wegen Verleumdung verklagt. Was hat Sie dazu bewogen?

Kövesi: Es wurden völlig falsche, gegen meine Person gerichtete Aussagen gemacht, und es ist nicht das erste Mal, dass dies geschieht. Ich habe sehr oft in derartigen Situationen versucht, zu reagieren, Erklärungen abzugeben, die Aussagen zu berichtigen, aber es wurde nur noch schlimmer. (Laura Balomiri, DER STANDARD, 12.8.2014)