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Ceta als Trojanisches Pferd für Konsumentenschutz in Europa und Kanada? So sieht es zumindest die Gruppe "Council of Canadians" bei einem Protestmarsch in Toronto.

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Wien - TTIP, TISA, CETA, TPP: Wer noch den Überblick über die Freihandelsabkommen bewahren möchte, die derzeit verhandelt werden, muss sich langsam ein Akronym-Lexikon zulegen. Derzeit empfiehlt es sich, darin unter dem Buchstaben "C“ nachzuschlagen.

Die EU und Kanada haben die Gespräche über ihr gemeinsames Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) Ende Juli nach rund zehn monatigen Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen. CETA ist vor allem deshalb interessant, weil der Vertrag als Blaupause für eine viel bedeutendere Vereinbarung, das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP), gilt.

Nach dem Abschluss der CETA-Gespräche hat die verhandlungsführende Kommission den Vertrag in die EU-Hauptstädte ausgeschickt, um sich ein Feedback zu holen. Der Vertragstext selbst ist bisher nicht veröffentlicht worden. Dies soll nach kanadischen Medienberichten erst Ende September bei einem Treffen zwischen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und dem kanadischen Premier Stephen Harper geschehen.

In Österreich haben seit vergangener Woche auch die Parlamentsfraktionen Einblick in den 1500 Seiten langen Text erhalten. Was sie das zu lesen bekommen haben, sorgte am Montag bei den Grünen für heftige Kritik. Offenbar beinhaltet CETA nämlich trotz aller Kritik auch einen eigenen Mechanismus, um Investorenstreitigkeiten beilegen zu können.

Schiedsgericht für Unternehmen

Kanadische Unternehmen in Europa und europäische Unternehmen in Kanada sollen künftig die Möglichkeit erhalten, ein eigenes Schiedsgericht anzurufen, wenn sie sich gegenüber einheimischen Unternehmen diskriminiert fühlen oder eine Enteignung fürchten. Diese geplanten Sonderklagerechte sind umstritten, weil nationale Gerichte damit de facto umgangen werden können. Bei den Schiedsgerichten ernennen in der Regel die Streitparteien selbst die Richter – Berufungsmöglichkeiten gibt es bisher nicht, weil die Verfahren rasch und schnell sein sollen.

Befürworter argumentieren, dass der gesonderte Investorenschutz für Firmen im Ausland notwendig sei, weil nationale Gerichte befangen sein könnten. Ganz anders sieht das Werner Kogler von den Grünen: "Für Großkonzerne wird es damit eine eigene Privatgerichtsbarkeit geben“, kritisierte Kogler CETA bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien.

Unternehmen könnten mit ihren Klagen die Arbeit von Parlamenten und Regierungen in Europa gehörig einschränken, so Kogler. Unternehmer können zwar nicht direkt gegen Gesetze klagen – jedem Land wird es weiter freistehen, sein eigenes Recht zu machen. Allerdings können Firmen Schadenersatz bei einem Schiedsgericht einklagen, etwa weil ein Gesetz sie benachteiligt. Laut Kogler sieht CETA die Errichtung eines eigenen Schiedsgerichts vor, es wird nicht auf bestehende Gerichte, etwas das ICSID bei der Weltbank, zurückgegriffen.

Grüne kritisieren Heimlichtuerei

Der Grüne kritisierte auch die Haltung der österreichischen Regierung scharf: Während Koalitionspolitiker in Deutschland bereits klargestellt hätten, dass das Abkommen mit Kanada nicht unterzeichnen werde, solange die Sonderklagerechte nicht fallen, fehle so ein klares Bekenntnis von Kanzler Werner Faymann.

Für Empörung bei den Grünen sorgt schließlich auch die Tatsache, dass CETA bisher nicht veröffentlich wurde – die Heimlichtuerei sei inakzeptabel. Ob der österreichische Nationalrat CETA absegnen muss oder ob die Zustimmung der Ländervertreter in der EU und des EU-Parlaments ausreicht, steht laut Kogler noch nicht fest. (András Szigetvari, derStandard, 11.8.2014)