Mit der Regierungsbildung beauftragt: Haidar al-Abadi.

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Spezialkräfte der irakischen Sicherheitskräfte beim Durchkämmen der Stadt Ramadi Anfang August.

Foto: REUTERS/Osama Al-dulaimi

Aus dem irakischen Verfassungsstreit ist am Montag eine irakische Verfassungskonfusion geworden: Der Schiitenblock im Parlament - und das ist eben nicht der Block des schiitischen amtsführenden Premiers Nuri al-Maliki - hatte, wie angekündigt, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs aufgestellt. Nur nahm die schiitische Allianz keinen der Ihren, sondern einen übergelaufenen aus dem "Rechtsstaat"-Block Malikis: den Vizepräsidenten des Parlaments, Haidar al-Abadi. Ist er nun ein verfassungskonformer Kandidat oder nicht? Präsident Fuad Massum beantwortete die Frage jedenfalls positiv und beauftragte Abadi mit der Regierungsbildung.

Die irakische Verfassung von 2005 besagt, dass der größte Block im Parlament das Recht hat, einen Kandidaten aufzustellen, wohlgemerkt: selbst aufzustellen. Nach langen Streitereien, ob als größter Block auch Allianzen anerkannt würden, die erst nach den Wahlen geschlossen wurden, hieß es am Montag im Staatsfernsehen, der Oberste Gerichtshof habe entschieden, dass dies nicht möglich und Malikis Block der größte sei. Damit sei Malikis Anspruch auf eine dritte Amtszeit bestätigt. Das Gericht dementierte den Bericht dann aber.

Sunniten gegen Maliki

Maliki, seit 2006 im Amt, ist tatsächlich der Gewinner der Parlamentswahlen von Ende April, aber weit davon entfernt, allein regieren zu können. Als im Juni im Norden Bagdads der Vormarsch der Jihadisten des "Islamischen Staats", die sich seit 2013 in der sunnitischen Provinz Anbar festsetzten, begonnen hatte, wurde Maliki jedoch von den anderen Parteien ein Gutteil der Schuld zugeschrieben: Seine als sunnitenfeindlich empfundene Politik führte dazu, dass viele Sunniten die sunnitischen Extremisten duldeten oder sogar willkommen hießen, nur um nicht weiterhin unter der Fuchtel Bagdads und Malikis stehen zu müssen. Außerdem befindet sich Maliki in einer bitteren, sehr personalisierten Auseinandersetzung mit der kurdischen Regionalregierung um Fragen vor allem der kurdischen Ölautonomie.

Der Meinung, dass die irakische Einheit nur durch einen Abgang Malikis gerettet werden könnte, schlossen sich auch schiitische Politiker an - und, nach einigem Zögern, auch Washington und Teheran. Am Montag telefonierte US-Vizepräsident Joe Biden mit Abadi, um ihm zu gratulieren und ihn aufzufordern, eine Regierung der Einheit zu bilden.

Maliki steht nunmehr allein da. Auch wenn seine Getreuen zu ihm halten, so ist auch sein Block nicht sehr stabil, wie aus der Tatsache ersichtlich ist, dass Haidar al-Abadi die Nominierung nicht zurückwies.

Keine Rede von Einlenken

Sonntagabend hielt Maliki eine scharfe Rede, in der von Einlenken keine Rede war. Am Montag sprach ein Unterstützer Malikis Abadi im Fernsehen jede Legitimität ab, Maliki stand mit düsterer Miene daneben. Schwierig zu deuten waren Meldungen, dass Maliki seine persönliche Garde angeblich an strategischen Plätzen in Bagdad platzieren ließ. Den Präsidenten zieh Maliki, der bisher nie als Verfassungsschützer auffiel, des Verfassungsbruchs, weil ihn dieser nicht mit der Regierungsbildung beauftragt hatte. Laut Verfassung lief die Frist am Sonntag aus. Am Montag gab es die Nominierung: eines anderen.

Nach den Wahlen von 2010, die Maliki verlor, hatte die Regierungsbildung viele Monate gedauert. Allerdings waren damals die Fristen nicht ausgelöst worden, die Posten von Parlaments-, Staats- und Ministerpräsident waren per Gesamtpaket entschieden worden. Diesmal lief es anders: Am 15. Juli wurde der Sunnit Salim al-Jaburi zum Parlamentspräsidenten gewählt, am 24. Juli der Kurde Fuad Massum zum Präsidenten. Offenbar war Maliki davon ausgegangen, dass ihm die diesbezügliche Zustimmung seines Blocks den Weg freimacht. Es kam anders. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 12.8.2014)