Es sind eigentlich Selbstverständlichkeiten, die man a beim Staatsakt zur Verabschiedung von Barbara Prammer am Samstag zu hören bekommen hat: Die parlamentarische Demokratie braucht Parteien. Parteien brauchen Grundsätze – also Ideologie. Und Politik braucht Menschen, die die Grundsätze des anderen ausloten und respektieren, ohne sich von den eigenen Grundsätzen zu verabschieden oder sich um eines kurzfristigen Vorteils willen zu verbiegen.

Aber solche Selbstverständlichkeiten werden in Österreich eben nicht mehr von selbst verstanden. Im Vergleich zu den frühen Jahren der Zweiten Republik, als die Parteien wirklich noch mächtig waren („Ohne die Partei sind wir nichts“, sagte 1983 Fred Sinowatz), haben die politischen Organisationen und erst recht ihre einzelnen Vertreter deutlich an Einfluss abgegeben. Gelohnt hat das nicht: Sie werden immer kritischer gesehen. Wer Grundsätze hochhält, wird als unflexibel gebrandmarkt, womöglich als Wahrer von Privilegien diffamiert.

Es läge an den Parteien und den Politikern, zur Selbstverständlichkeit zurückzukehren: jene Macht auszuüben, die ihnen vom Volk anvertraut ist – anstatt sich mit den Punkten aufzuhalten, wo ihre Macht mangels Mehrheit an Grenzen stößt. Und sie müssen diese Grenzen deutlich machen – mit klar verständlichen Programmen. Aber die Diskussion darüber ist bei SPÖ und ÖVP eingeschlafen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 11.8.2014)