Von entwaffnender Schlichtheit: "Self Portrait and Sex Education For Myself" bei Impulstanz.

Foto: Caochangdi Workstation

Wien - Das Überraschendste an dem autobiografischen Tanzsolo Self Portrait and Sex Education for Myself von Zhang Mengqi ist wohl, dass die junge Chinesin zu demselben Schluss kommt wie der Protagonist in Lloyd Newsons neuer Arbeit John: Wie finde ich den richtigen Partner für ein gutes Leben?

John U. ist ein 52-jähriger britischer Kleinkrimineller, der ein bewegtes Leben hinter sich hat, Mengqi eine 27-jährige Frau vom Land, die eine harte Ballettausbildung durchleiden musste. Diese Figuren unterscheiden sich diametral voneinander, sowohl in Geschlecht als auch in Alter, Kultur und sexueller Orientierung. Dennoch suchen sie dasselbe, und das ist - ein passender Mann.

Mengqi hat für ihr Stück, das gerade bei Impulstanz in der Garage X zu sehen ist, einen Titel gewählt, der ein für das westliche Gemüt unwiderstehlich scheinendes Aroma verbreitet. Er verspricht etwas, das die Werbung einer deutschen Lebensmittelkette am besten auf den Punkt bringt. Denn "supergeil" klingt die Formulierung "Sex Education" im Zusammenhang mit einer jungen Frau allemal. In einem populären Werbe-Tanzvideo besingt Friedrich Liechtenstein gleichsam den Kulturzustand der "Endverbraucher-Union" EU: "Super Uschi, Super Muschi, Super Sushi", verlautet der Bärtige mit dem bärigen Timbre.

Entsprechenden Erwartungen setzt Zhang Mengqi einen Dämpfer auf. Mit Taschenlampe und Rollkoffer kommt sie auf die Bühne, zieht sich einmal um und danach nicht aus, sondern an. Schicht für Schicht. Während sie weder extra cool noch super exaltiert von ihrem Erwachsenwerden im prüden China erzählt: wie schmerzhaft die Ballettklassen waren, wie sie ihren erst BH erwarb, wie eine ältere Kommilitonin im College mit ihren sexuellen Erfahrungen angegeben hat.

Sie fragt sich, ob sie durch all das die Person geworden ist, die sie sein wollte. Weder ihre Großmutter noch ihre Mutter haben den richtigen Partner gefunden. Wie soll so jemand für sie sein? Und wo ist dieser zu finden? Das sind einfache Fragen, die sich - siehe John U. - so gut wie alle stellen. Mengqis Stück ist von einer dazu passenden, geradezu entwaffnenden Schlichtheit.

So stellt sie sich gegen eine gerade vorherrschende Konvention im Tanz. Denn da ist "supergeil" die Norm. Beim laufenden Festival wird das im Lichte Liechtensteins gut sichtbar: François Chaignaud und Cecilia Bengolea etwa waren super crunchy. Dada Masilo war superstark. Und der Ballettwettbewerb: su-per-geil!

Rebecca Patek war superpathetisch. Ivo Dimchev: sehr geile Fritte. David Zambrano: supersüß, und Lloyd Newsons "John": super sexy. Und bei Chris Haring gingen sehr, sehr geile Bioprodukte über den Jordan. Zhang Megqi dagegen bleibt einfach ehrlich. Sie ist eine echte Besonderheit. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 9./10.8.2014)