Bild nicht mehr verfügbar.

Die 35-jährige Weltfußballerin Nadine Angerer scheut den Konflikt mit Herrn Blatter nicht.

Foto: AP/ Darryl Dyck

New York - Dem Weltverband Fifa droht Ungemach. Nadine Angerer und andere internationale Topspielerinnen, insgesamt 40, haben wegen der geplanten Austragung der Frauen-WM 2015 in Kanada auf Kunstrasen mit rechtlichen Schritten gedroht, eine juristische Schlammschlacht ist nicht auszuschließen.

In dem vierseitigen Protestschreiben bezeichnen die Kickerinnen den Polyethylen-Untergrund als "zweitklassiges, diskriminierendes und illegales" Geläuf. Die Wahl verletze Menschenrechte und fördere zudem die Gefahr von Blessuren, heißt es. "Der Platz in Vancouver beispielsweise ist eine Frechheit, das ist Beton. Die Verletzungsgefahr ist riesig", sagte die deutsche Teamtorhüterin und amtierende Weltfußballerin Angerer, die in den USA beim Meister Portland Thorns beschäftigt ist.

Die Endrunde geht von 6. Juni bis 5. Juli 2015 in Vancouver, Edmonton, Winnipeg, Ottawa, Montreal und Moncton mit 24 Nationen über die Bühne. Nur in Moncton ist Naturrasen gelegt.

Der von der renommierten US-amerikanischen Anwaltskanzlei Boies, Schiller & Flexner aufgesetzte Brief liegt der Fifa sowie dem Kanadischen Fußballverband (CSA) vor. Kommentieren wollten sie ihn vorerst einmal nicht. In dem Schriftsatz kündigen Europameisterin Angerer sowie Kolleginnen wie Ex-Weltfußballerin Abby Wambach und Alex Morgan (beide USA) an, dass sie gegen die beiden Verbände klagen würden, falls sie sich nicht auf einen Dialog einlassen wollten. "Wir sind in diesem Fall darauf vorbereitet, juristische Schritte einzuleiten, die erfolgreich sein werden", heißt es.

Doch die Fronten scheinen verhärtet. Fifa-Präsident Joseph S. Blatter hatte erst vor ein paar Tagen betont, dass Kunstrasen die "Zukunft des Fußballs" sei. "Es gab Zeiten, in denen das Spielen auf künstlichem Untergrund ein Albtraum war. Kunstrasen war wie Teppich auf Beton. Doch die Qualität hat sich stark verbessert", sagte Blatter. Der Schweizer wollte angeblich schon die Männer-WM 2010 in Südafrika auf Kunstrasen austragen lassen, er ist mit seinem Wunsch aber kläglich gescheitert. Vor Brasilien war der Belagwechsel kein Thema, der Schweizer musste sich eher mit Themen wie Korruption und Größenwahn herumschlagen.

Anderes Spiel

Nicht nur Angerer ist anderer Meinung als Blatter. "Ich hoffe, dass die Fifa noch was macht, so ist das peinlich." Auch die deutsche Bundestrainerin Silvia Neid machte ihrem Unmut über die Retortenspielflächen Luft. Das sei ein "No-Go" bei einer Frauen-WM. "Wir werden als Versuchskaninchen verwendet", ließ sich Neid in dem Protestbrief zitieren. Fußball auf Kunstrasen sei "ein vollkommen anderes Spiel. Die Fifa muss sicherstellen, dass wir auf einem geeigneten Untergrund spielen", forderte die 50-Jährige.

Die Endrunde im kommenden Sommer in Kanada wäre die erste WM-Veranstaltung für A-Nationalteams, die auf Kunstrasen ausgetragen wird. Derzeit findet dort die Weltmeisterschaft der U20-Juniorinnen statt - ebenfalls auf dem ungeliebten Geläuf.

Unter Sportmedizinern ist der Kunststoffteppich umstritten, weil er meist stumpfer als Naturgras ist. Da die Schuhsohle fester verankert ist, wirken größere Drehkräfte auf Gelenke und Bänder. (sid, red, DER STANDARD, 8.8.2014)