Rom/Wien – Die Regierung in Rom ruderte am Donnerstag zurück. "Der Brennerbasistunnel ist ein prioritäres Infrastrukturprojekt, denn es schließt Italien enger an Europa an", versicherte Verkehrsminister Maurizio Lupi in Rom. Der Erklärung waren Proteste aus Süd- und Nordtirol vorausgegangen, denen der Bau des Zehn-Milliarden-Bauwerks zwischen Innsbruck und Franzensfeste seit Jahrzehnten ein besonderes Anliegen ist.

Wie berichtet, befand sich der Brennerbasistunnel (BBT) zunächst nicht auf der Liste von "Vorzugsprojekten" im Volumen von 30,2 Milliarden Euro, mit denen die Regierung rund um Premier Matteo Renzi die Konjunktur ankurbeln will.

Auch die BBT-Errichtergesellschaft versuchte zu kalmieren. Die weitere Finanzierung des BBT in der Höhe von 1,57 Milliarden Euro sei unter anderem in einem Gesetz enthalten, das die italienische Regierung derzeit vorbereite und im Herbst beschließen wolle, hieß es via Aussendung.

Gesamtfinanzierung nicht gesichert

Die Gesamtfinanzierung des BBT ist, im Gegensatz zu anderen Großprojekten auf der Liste, nicht gesichert. Denn der BBT gehört zu jenen Projekten in Italien, bei denen zwar die Arbeiten begonnen, aber immer nur Teilfinanzierungen sichergestellt sind. Die nächsten 1,57 Milliarden Euro für den BBT sollen im September gewidmet werden – analog zum österreichischen Teil im ÖBB-Rahmenplan 2014–19. Am Freitag wird das interministerielle Komitee für Wirtschaftsplanung CIPE in Rom über diese weitere BBT-Tranche entscheiden, erklärte der 2009 eingesetzte Kommissar für den BBT-Zugang, Mauro Fabris, auf STANDARD-Anfrage. Erst Ende des Monats wird die Regierung jenes Dekret beschließen, das für die ganze Aufregung gesorgt hatte: "Sblocco Italia", die Deblockierung Italiens, mittels jener Infrastrukturprojekte, die Priorität haben. Laut italienischem Recht können nur solche Projekte verabschiedet werden, deren Finanzierung garantiert ist.

Insgesamt wurden die Kosten für den BBT zuletzt auf 9,7 Milliarden Euro taxiert, zahlbar je zur Hälfte von Italien und Österreich. Experte Fabris hofft, dass die EU bis zu 40 Prozent der Kosten bestreiten könnte. Das hofft man auch in Österreich, eine Entscheidung gemäß EU-Finanzierungsplan 2014–2020 gibt es noch nicht, sondern lediglich für Planungsarbeit samt Sondierungsstollen.

4,5 Milliarden hängen in der Luft

In der Luft hängen damit mindestens weitere 4,5 Milliarden Euro für die Zulaufstrecken zum BBT auf italienischer Seite, also die Schnellverbindungsstrecke vom Brenner bis Verona, die Umfahrungen von Bozen und Trient sowie der Zugang zum Bahnhof Verona. Auch diese Vorhaben könnte die EU mit bis zu 40 Prozent Finanzierung unterstützen, gibt sich der Kommissar optimistisch. Teil des prioritären "Baustellenöffnungsprogramms" sind diese Hochgeschwindigkeitsstrecken auch nicht. Die an chronische Finanznot gewöhnte Regierung in Rom setzt dabei auf Zeit. Der BBT solle erst 2026 in Betrieb genommen werden. Dafür reiche, wenn der Beginn des Ausbaus der Zufahrt Verona–Brenner nach 2018 begonnen werde, glaubt Fabris. Als Teil des TEN-Korridors 5, des EU-Verkehrswegs Malta–Rotterdam, habe die Brennerstrecke auf EU-Ebene jedenfalls Priorität.

Verkehrsminister Lupi will nun der EU-Verkehrsministerkonferenz in Mailand vorschlagen, dass die Kosten für Vorzugsinfrastrukturprojekte der EU aus der allgemeinen Kostenplanung herausgenommen und nicht unter "öffentliche Ausgaben" fallen und so die Haushaltsbilanz belasten. (Thesy Kness-Bastaroli, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 8.8.2014)