Getreidefelder in Kachetien im Südosten Georgiens: Bodenversalzung als Erbe intensiver Sowjetlandwirtschaft, Erosion als Folge starker Abholzung.

Foto: Josef Kirchengast

Chatuna Gogaladse (re.), hier noch als amtierende Umweltministerin, mit Stellvertreterin Nino Scharaschidse: "Frauen denken mehr an die Zukunft."

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Sie ist über weite Strecken eine einzigartige Allee von Walnussbäumen: die Straße von Tiflis durch die Region Kachetien in den Südostzipfel Georgiens. Von den Verkaufsständen am Straßenrand hängen schlanke Würste: mit getrocknetem Weingelee umhüllte Walnusskerne, vor Jahrhunderten erfunden, um Krieger mit nahrhaftem und haltbarem Proviant zu versorgen.

Nach und nach wird die Vegetation karger, das Land flacher. Nun säumen immer mehr schwarze Strünke die Straße, Reste gefällter Bäume. Wir sind im Gebiet von Dedoplistskaro, der Kornkammer Georgiens. Getreidefelder, so weit das Auge reicht. Aber der Schein trügt. Zu Sowjetzeiten war Georgien Weizenexporteur. Heute muss es fast 90 Prozent des Eigenbedarfs an Weizen importieren.

Die Ursachen sind ein Mix aus Sowjeterbe und den teilweise wirren Verhältnissen nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1991. In der kollektivierten Landwirtschaft wurde intensiv bewässert. Die Folge: Versalzung der Böden, sinkende Erträge, steigende Anfälligkeit für Schädlinge. Der Bodenerosion begegnete man zwar schon zur Zeit der UdSSR durch Pflanzung von Windschutzstreifen. Diese aber wurden in den Jahren nach der Erlangung der Unabhängigkeit von der Bevölkerung auf der Suche nach Brennholz kahlgeschlagen, auf 1800 Kilometer Länge. Der Wind hatte wieder freie Bahn. Vögeln, den natürlichen Feinden vieler Kornschädlinge, fehlten Anflug- und Nistplätze. Erst im Vorjahr fiel ein Großteil der Ernte Heuschrecken zum Opfer. Heuer ist eine Getreideblattlaus für Ernteausfälle von bis zu 90 Prozent verantwortlich.

Der ökologische Faktor

Gela Tetrauli, Chef des regionalen Bauernverbandes, bewirtschaftet selbst etwa 100 Hektar Ackerland. Mit jährlichem Fruchtwechsel – Weizen, Sonnenblumen, Gerste – versucht er auf ein nachhaltiges System umzusteigen. Dabei spielen Windschutzstreifen mit ihrer mehrfachen Funktion eine Schlüsselrolle: Schutz vor Winderosion, Lebensraum für Vögel und Auswirkungen auf das Mikroklima, die den Wassermangel mildern.

Bewässerung kann sich Tetrauli wie die anderen Bauern nicht leisten. Aber seit einigen Jahren sprießen zwischen seinen Feldern Bäumchen der Hoffnung: Ergebnisse eines Aufforstungsprojekts, an dem die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) maßgeblich beteiligt ist. Von geplanten 100 Kilometern neuer Windschutzstreifen sind bereits 60 Kilometer ausgepflanzt.

Das westlich orientierte Georgien, das sein Assoziierungsabkommen mit der EU bereits ratifiziert hat, ist eines der Schwerpunktländer der OEZA. Neben dem vierjährigen Umweltprogramm in Kachetien, das in Kooperation mit dem deutschen OEZA-Pendant GIZ läuft, und anderen Projekten konzentriert sich die österreichische Unterstützung auf die Entwicklung eines nachhaltigen Waldmanagements, das von der Regierung unter dem Titel Nationales Forstprogramm auf den Weg gebracht wurde.

Georgiens Wald, der 40 Prozent des Territoriums bedeckt (Österreich: 48 Prozent), gehört zur Gänze dem Staat. Nur rund zehn Prozent sind derzeit von Privatleuten zur Nutzung geleast. Die nationale Bedeutung des Waldes ist enorm - ökologisch, wirtschaftlich und politisch.

32 Prozent der Waldfläche unter Schutz

Denn Holz ist der Hauptbrennstoff der georgischen Haushalte – dreieinhalb Millionen Kubikmeter beträgt der Jahresgesamtbedarf. Wie im Fall der Windschutzstreifen kam es nach der Unabhängigkeitserklärung landesweit zu unkontrollierter Abholzung. Die politischen Wirren ließen die Korruption wuchern. Mit Schmiermitteln waren amtliche Holzzuteilungen über das gesetzliche Kontingent hinaus (sieben Kubikmeter pro Familie und Jahr) einfach zu bekommen. Folge des verbreiteten Kahlschlags: Bodenerosion, katastrophale Erdrutsche.

Mit dem Nationalen Forstprogramm, das als Gesetzentwurf im September vorliegen soll, will die Regierung Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen. An der Ausarbeitung sind Experten der Österreichischen Bundesforste und andere österreichische Fachleute beteiligt, direkt oder bei der Erstellung eines Empfehlungskatalogs an die Regierung. Dieser wird in Kooperation mit der übernationalen Umweltorganisation CENN (Caucasus Environmental NGO Network) ausgearbeitet. Zwei Zahlen verdeutlichen den Interessenkonflikt: Die Regierung will 32 Prozent der gesamten Waldfläche zur Schutzzone erklären, CENN doppelt so viel. Trotz solcher Differenzen nennt CENN-Direktorin Nana Janaschia das ökologische Umdenken in Politik und Bevölkerung schon jetzt "eine Erfolgsgeschichte" .

Im Umweltministerium in Tiflis trafen österreichische Parlamentarier und Journalisten vor einigen Wochen die damalige Ressortchefin Chatuna Gogaladse und deren Stellvertreterin Nino Scharaschidse. Für Gogaladse ist nicht nur die Expertise österreichischer Experten bei der Ausarbeitung des Forstprogramms wertvoll. Man wolle insgesamt die Erfahrungen eines Landes mit hohem Umweltbewusstsein und entsprechenden Standards nutzen. So wird mit österreichischem Know-how auch ein Gesetz für Abfallbewirtschaftung vorbereitet.

Der weibliche Faktor

Dass das Personal des georgischen Umweltministeriums in der Mehrzahl weiblich ist, führt die Ressortchefin auch darauf zurück, dass "die Frauen mehr an die Zukunft", also nachhaltiger denken: "Wie werde ich morgen meine Familie ernähren?"

In Bewusstseinskampagnen vom Kindergarten an soll die Bevölkerung noch mehr ökologisch sensibilisiert werden, doch nicht mit einem "künstlichem Programm", das vor allem auf die Frauen setzt: "Wir haben in Georgien eine lange Tradition der Gemeinsamkeit von Mann und Frau." Inzwischen wurden Gogaladse und Scharaschidse im Zuge einer größeren Regierungsumbildung abgelöst – von Männern. Ob dies auch am Kurs des Ministeriums etwas ändert, bleibt vorerst offen. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 7.8.2014)