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Die mit Ebola infizierte Missionarin Nancy Writebol ist eine von zwei Menschen, die mit einem ungeprüften Serum und deshalb mit hohem Risiko behandelt wurden.

Foto: Reuters

Im Zuge von Katastrophen wie bei der Ebola-Epidemie in Afrika entstehen Legenden fast automatisch. So auch die Geschichte des amerikanischen Arztes Kent Brantly und der Missionarin Nancy Writebol, die beide für Hilfsorganisation Samaritans Purse in Liberia waren und sich dort mit dem hochaggressiven Virus infiziert hatten. Als äußerste Notfallmaßnahme wurde ein Spezialserum aus den USA eingeflogen. Der Arzt, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte und dem Tod sehr nahe war, konnte wenige Stunden nach Verabreichung des Medikaments schon wieder duschen, seine Hautausschläge klangen ab. So jedenfalls kolportierten es die Medien.

"Würde mich wundern"

"Das ist ein anekdotischer Bericht, dass der Mann tatsächlich nach ein paar Stunden schon wieder duschen konnte, würde mich wundern", sagt der Tropenmediziner und Ebola-Experte Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

Ein Merkmal von Ebola sei, dass sich der Zustand von Patienten innerhalb weniger Stunden verändern kann, "von todkrank bis viel besser". Dies auf das Medikament zurückzuführen ist deshalb aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht nicht zulässig, sagt der Virologe.

Dass es sich bei dem verabreichten Medikament um ein nur den reichen Amerikanern vorbehaltenes Geheimserum gehandelt habe, wie in den sozialen Netzwerken wie Twitter berichtet wurde, sei ebenfalls unrichtig.

Menschenversuche verboten

ZMapp, so der Name des Medikaments, ist eine Kombination aus drei monoklonalen Antikörpern, die von der US-Firma Mapp Biopharmaceuticals in San Diego entwickelt wird. Die Firma publiziert ihre Forschung auch in den entsprechenden Journalen. Deshalb weiß man, dass sich das Medikament gegen die Glykoproteine der Ebola-Viren richtet und verhindert, dass sie sich weiter vermehren können.

"Es ist vielleicht hilfreich, aber sicher kein Allheilmittel“, sagt Schmidt-Chanasit, im Tierversuch an infizierten Makaken hätten nicht alle Tiere überlebt.

"Aus ärztlicher Sicht ist ZMapp keine Option, weil es kein für Menschen zugelassenes Medikament ist", sagt Mzia Turashvili von Ärzte ohne Grenzen, "würden wir es einsetzen, wären das Menschenversuche", thematisiert sie die Problematik.

Aufwändige Sicherheitsstudien

Zur Erklärung: Neue Wirkstoffe müssen in der Medizin ein genau festgelegtes Verfahren durchlaufen, in dem nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Sicherheit eines Medikaments nachgewiesen werden müssen. Solche Verfahren ziehen sich über Jahre. "Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn man Menschen in Afrika einen ungeprüften Wirkstoff verabreichte und diese an den Nebenwirkungen sterben", konkretisiert Schmid-Chanasit die Situation.

Im Falle von ZMapp sei die Sorge nicht unberechtigt. Monoklonale Antikörper können, das weiß man aus anderen Bereichen der Medizin, auch anaphylaktische Schocks verursachen, die zu lebensbedrohlichen Zuständen führen können, "das würde das Vertrauen der Menschen in diesen Ländern nachhaltig beeinträchtigen“, sagt der Tropenmediziner. Was man aktuell in den Krisengebieten braucht, sind Ärzte, Aufklärung und medizinische Basisausstattung wie beispielsweise Infusionen.

Das sind erwiesenermaßen wichtige Faktoren zur Eindämmung einer Seuche. „Bei dem Medikament kennen wir die Nutzen-Risiko-Wirkung nicht“, so Turashvili. Ganz unabhängig von der ethischen Frage könnte Mapp Biopharmaceuticals das in seiner Fertigung hochkomplizierte Serum – es wird aus Tabakpflanzen hergestellt – auch gar nicht liefern.

Wirksamkeit ohne Schaden

Bis die US-Firma dieses Medikament auf den Markt bringt, werden noch Jahre vergehen. "Zuerst muss ein neues Medikament immer erst seine Sicherheit beweisen, um die Wirksamkeit geht es erst in der letzten Phase einer Entwicklung", erklärt Schmid-Chanasit. Dabei ginge es auch ganz stark um Dosierungen: "Ein an sich gutes Medikament kann in der falschen Dosierung großen Schaden anrichten", deshalb sei die Medikamentenentwicklung auch so stark reglementiert und die Sorgfalt erhöht.

Bis sich das Sicherheitsprofil von ZMapp konkretisiert, werden Ärzte wie Turashvili also warten müssen. "Es wäre viel sinnvoller zu testen, ob bereits zugelassene Virus-Medikamente vielleicht auch bei Ebola wirken, denn die haben die Sicherheitsprüfungen bereits hinter sich“, sagt Schmid-Chanasit. Er nennt das Influenzamedikament P-705 (Wirkstoffname Favipiravir), das vielleicht auch bei Ebola-Infizierten wirken könnte, und auch Medikamente gegen das HI-Virus seien eine Option, sagt er. (Karin Pollack, derStandard.at, 7.8.2014)