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Arbeiter bestücken eine Wand am Ende des Zugangsstollens zum Brennerbasistunnel bei Steinach mit Sprengstoff.

Foto: APA/Hildenbrand

Wien - Am Freitag wird der Ministerrat in Rom das Dekret "Sblocca Italia" (Deblockierung Italiens) präsentieren. Es enthält eine Liste mit "Vorzugsprojekten" beim Infrastrukturausbau, in der allerdings der Brennerbasistunnel (BBT) nicht mehr genannt wird. Für die vierzehn prioritären Projekte ist die Finanzierung von insgesamt 31,6 Milliarden Euro gesichert. Die "Vorzugsliste" werde keine Änderung erfahren, heißt es im Verkehrsministerium in Rom.

Obwohl sich Regierungschef Matteo Renzi bei seinem Besuch in Südtirol vor wenigen Wochen für das Brennerbasistunnelprojekt erwärmt zu haben schien und eine Fortsetzung der Bauarbeiten (bisher handelt es sich auf italienischer Seite nur um Sondierungsprojekte) in Aussicht stellte, wurde das Projekt nun fallengelassen. "Vorerst", wie es heißt. Natürlich nicht vollständig. Aber die umstrittenen 57 Kilometer langen Röhren zwischen Innsbruck und Franzensfeste hätten keine Priorität mehr, zudem sei die Finanzierung nicht gesichert.

Vernachlässigung des Brenners

Verkehrsexperten sehen den Grund für die "Vernachlässigung" des Brenners auch im Ausbau der Gotthard-Achse mit ihrem Herzstück, dem Gotthardtunnel, der Ende 2016 für den Verkehr freigegeben werden soll. Zusammen mit der bereits fertiggestellten Lötschberg-Unterführung sollte der Verkehr von der hochbelasteten Transitroute über den Brenner und Südtirol auf die Schweizer Transitrouten umgeleitet werden.

Man wolle abwarten, ob dann nicht ein Teil des Süd-Nord-Transports über den 57 Kilometer langen Tunnel in der Schweiz abgeleitet oder abgesogen werde. Aus demselben Grund scheint in Rom auch der Simplon-Tunnel fallengelassen worden zu sein. Der Ausbau des Gotthardtunnels mache einen zweiten Durchstich von Norditalien in die Schweiz möglicherweise obsolet, heißt es im regionalen Verkehrsministerium in Turin.

Im Verkehrsministerium in Wien reagierte man irritiert auf den für das zwischenstaatliche Projekt bedrohlichen Schwenk in Italien. Eine offizielle Stellungnahme gab es nicht. Informell hieß es, die Liste enthalte nur neue Projekte, bereits begonnene würden fortgesetzt. Beim BBT werde bereits am Hauptstollen gebaut. Ohne Italien müsste Österreich die gut neun Milliarden Euro für den BBT allein stemmen.

Ungewisse Finanzierung für Milliardenprojekte

Auch die Verbreiterung der Autobahn von Triest nach Venedig um eine dritte Fahrspur und die beiden - im Kreuzfeuer der Kritik stehenden - Infrastrukturprojekte der ligurischen Hafenstadt Genua wurden von der Regierung Renzi vorerst ad acta gelegt. Wann, ob und vor allem wie die Finanzierung dieser Milliardenprojekte erfolgen soll, ist ungewiss.

Hingegen soll - trotz massiver Proteste von Umweltschützern - die Superschnellverbindung von Turin nach Lyon mit einem 57 Kilometer langen Tunnel im Susa-Tal sehr wohl gebaut werden. Das Projekt kostet 2,9 Milliarden Euro. Wesentlich teurer kommt freilich die Strecke von Orte nach Mestre. Die über Umbrien und Romagna führende Autobahn nach Venetien wird mit 10,4 Milliarden Euro veranschlagt.

Der Fokus der Projekte liegt in Süditalien, wo Schienenverkehrsverbindungen tatsächlich im Argen liegen. So soll die seit langem geplante Schnellverbindung zwischen den beiden süditalienischen Großstädten Neapel und Bari (146 km) endlich errichtet werden. Die Umsetzung kostet 2,9 Milliarden Euro. Die Bahn zwischen Messina, Catania und Palermo auf Sizilien soll modernisiert werden. Kostenpunkt: 5,2 Milliarden Euro. Um 3,6 Milliarden Euro ausgebaut werden die Flughäfen Rom (Fiumicino), Florenz, Mailand (Malpensa), Venedig, Florenz und Genua.

Das Gesetzesdekret Sblocca Italia dient der Wirtschaftsankurbelung. Es wird 60 Tage nach Verabschiedung automatisch Gesetz (ohne parlamentarischen Beschluss) und ist so lange in Kraft, bis es durch ein anderes ersetzt wird. Die Sperre für den Brennerbasistunnel ist vorerst nicht befristet. (Thesy Kness-Bastaroli, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 7.8.2014)