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Marokkanische Männer nachdem sie die Grenze von Libyen nach Tunesien überquert haben.

Foto: REUTERS/Zoubeir Souissi

Tripolis/Kairo - Der Tod in Libyen sei billig, es regiere Hass, und es fehle an Brot und Wasser: Das ist die Schilderung eines Ägypters in einem lokalen Fernsehkanal. Er hatte wie Tausende seiner Landsleute Libyen in den letzten Tagen fluchtartig verlassen. Die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage hat die Gastarbeiter aus den muslimischen Nachbarstaaten in großer Zahl bewogen, in ihre Heimatländer zurückzukehren.

Da die großen Flughäfen geschlossen sind, erfolgt der Massenexodus auf dem Land- oder Seeweg und hatte chaotische Szenen vor allem am Grenzübergang Ras Jidir nach Tunesien zur Folge. Tunesien will verhindern, dass Flüchtlinge auf seinem Territorium stranden, und sorgt sich wie Ägypten vor dem Einsickern islamistischer Extremisten. Beide Länder wollen keine Flüchtlingslager wie 2011 während des Krieges gegen die Gaddafi-Diktatur. Die Szenen in diesen Tagen erinnern exakt an jene Monate.

Der nordafrikanische Ölstaat ist in allen Bereichen auf Ausländer angewiesen. Jetzt kehren tausende Fachleute, zum Beispiel im Ölsektor und in der Stromversorgung, dem Land wieder den Rücken, nachdem viele Einrichtungen in den letzten zwei Jahren notdürftig repariert und neue Projekte in Angriff genommen worden waren. Ein Teil der Gewalt richtet sich gezielt gegen Ausländer, meist gegen Nichtmuslime.

Vor dem Kollaps

Besonders betroffen ist der Gesundheitssektor. Er stehe erneut vor einem Kollaps, warnte die Ex-Gesundheitsministerin Fatma al-Harmush. Mit großer Anstrengung seien 2012 die Versorgungslücken in den Spitälern geschlossen worden. Jetzt könnte erneut ein kompletter Zusammenbruch drohen, nachdem die Philippinen angekündigt haben, ihre 13.000 Landsleute, von denen 3000 im Gesundheitssektor arbeiten, abzuziehen. Vor Tagen waren eine philippinische Krankenschwester entführt und vergewaltigt und ein Bauarbeiter enthauptet worden.

In Bengasi arbeitet das größte Spital schon jetzt nur mit einer Kapazität von etwa 25 Prozent. Das Gesundheitsministerium hat deshalb libysche Ärzte und Pflegepersonal aufgerufen, sich unbedingt zum Dienst zu melden. Mehrere Dutzend Verletzte sind bereits in Spitäler nach Jordanien verlegt worden.

Seit Mittwoch haben die Kämpfe in den beiden Großstädten 240 Tote und tausend Verletzte gefordert. In Bengasi hat Exgeneral Khalifa al-Hafter in den vergangenen Tagen schwere Rückschläge erlitten. Die islamistischen Kämpfer haben mehrere seiner Basen überrannt. In den Gefechten um den Flughafen in Tripolis konnte kein Waffenstillstand ausgehandelt werden, damit die Feuerwehr ihrer Arbeit an dem seit einer Woche brennenden Tanklager ungehindert nachgehen könnte. Die Männer mussten sich immer wieder zurückziehen, und ausländische Hilfe ist wegen des zu hohen Risikos ausgeblieben. Wie die Nationale Ölgesellschaft am Sonntag mitteilte, haben die Flammen bisher acht Tanks erfasst. Die Gefahr einer Gasexplosion ist noch nicht gebannt.

Die letzte Hoffnung, den Kämpfen ein Ende zu bereiten und die Milizen unter staatliche Kontrolle zu bringen, ruht auf dem neuen Parlament, das heute, Montag, seine konstituierende Sitzung abhalten soll. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 4.8.2014)