Der jüngste Polizeieinsatz bei der Räumung eines Hauses in der Wiener Mühlfeldgasse ist ein Indiz, in welche Richtung der Staat sich auch in Österreich entwickeln könnte: einerseits zu immer mehr Schutz für Investitionen und Investitionsobjekte. Andererseits zu immer größerem Druck auf Kritiker der herrschenden Gesellschaftspolitik - demonstrierbar an der fast schon "russischen" Art, wie Tierschützer bis zur Existenzgefährdung verfolgt werden.

Die Polizeiaktion in der Mühlfeldgasse geschah rechtlich auf der Basis eines Gerichtsurteils. Ihre Massivität bis hin zur Auffahrt eines Panzerwagens wurde vom urteilenden Gericht nicht vorgeschlagen. Sie wurde von der Polizei selbst gewählt. Gegen "Punks". Es wäre interessant, ob die Exekutive mit ebenso großer Machtdemonstration gegen russische "Aufpasser" aufmarschieren würde, die heute schon in etlichen Wiener Häusern deren Bewohner nur nach Ausweisleistung einlassen - eine klare Einschränkung der Freiheitsrechte.

Das alles illustriert eine Tendenz, die auch in anderen Ländern festzustellen ist: Die Verwaltung soll immer "schlanker" werden, wobei man sich der im Volk ohnehin vorhandenen Ressentiments gegenüber den Beamten bedient. Sie soll also billiger werden, während man den finanziellen Aufwand für Überwachungen aller Art und für Polizeieinsätze hinaufschraubt.

Fazit: Der Polizeistaat wird verstärkt, der Bürgerstaat wird ausgedünnt - kombiniert mit Versuchen, über Gesetzesnovellen die Kontrollmöglichkeiten der österreichischen Medien einzuschränken.

Gleichzeitig fühlen sich die Bürgerinnen und Bürger der Republik in die finanzielle Zange genommen. Der Mittelstand wird mit immer höheren Abgaben (mittlerweile bis über 50 Prozent) belastet, Entlastungen werden vom Finanzministerium mit dem Hinweis auf die angespannte Budgetlage abgelehnt.

In Wirklichkeit kennt man die wahren Kosten des Hypo-Alpe-Adria-Debakels noch nicht und wartet daher ab - denn die Massensteuern sind zur "Finanzierung" der Verbrechensfolgen effizienter als eine Erhöhung der Steuern der Vermögenden. Die "Reichen" aber gar nicht zu Kasse zu bitten, obwohl nicht wenige von ihnen dazu sogar bereit wären, grenzt an einen Zynismus, den sich neoliberale Parteien leisten können, "Volksparteien" nicht - noch dazu wenn sie sich mit dem Begriff "christlich" schmücken.

Die SPÖ wiederum sollte endlich Farbe bekennen. Wenn sie vermögensbezogene Steuern einführen will und gleichzeitig in Sozial- und Asylfragen liberaler agieren möchte, müsste sie konsequenterweise die Koalition aufkündigen und für den Herbst Neuwahlen erzwingen.

Aber bei Werner Faymann und anderen Granden der SPÖ wie beispielsweise Michael Häupl ist die Rhetorik wesentlich schärfer als der Handlungswille. In der Realpolitik wirkt der Regierungschef wie die weichere Variante seines Vize Michael Spindelegger.

Deshalb ist die Chance für Neuwahlen gering. Und die Aussicht auf einen Staat, der immer mehr Bürger abzockt und gleichzeitig knebelt, groß. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 4.8.2014)