Die gute Nachricht: Der Ethikrat des ORF hatte im dritten Jahr weniger zu tun. Das interne Kontrollgremium wacht darüber, was ORF-Mitarbeiter, vor allem Journalisten, dürfen, ohne die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit ihrer Arbeit zu gefährden.

Produktpräsentationen oder Moderationen auf Parteiveranstaltungen gefährden die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit - solche Fälle beschäftigten aber auch im dritten Jahr (von August 2013 bis Juli 2014) den Ethikrat. Eine Story verschwand auf Intervention eines Werbekunden bei einem Hauptabteilungsleiter. Das sind die weniger guten Nachrichten im jüngsten Jahresbericht des Gremiums.

Werbe-Intervention

Was störte den Werbekunden, dass er einen ORF-Hauptabteilungsleiter drängte, einen Beitrag offline zu stellen? Laut Tätigkeitsbericht stieß er sich vor allem daran, dass ein Moderator den Sendungsbeitrag vor dieser Geschichte „flapsig“ anmoderiert habe - was der Werbekunde auf die Werbetätigkeit des Moderators für ein Konkurrenzunternehmen zurückführte.

Der Ethikrat verurteilte das Offline-Stellen als "unvereinbar" mit der Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit jedes ORF-Journalisten, die ORF-Gesetz und Redakteursstatut vorschreiben. "Das Offlinestellen war auch mit der im Verhaltenskodex fixierten strikten Trennung zwischen Werbung und journalistischer Tätigkeit unvereinbar."

Der Rat verurteilt aber auch die Moderation: Die stammte zwar von keinem ORF-Journalisten im Sinne des ORF-Gesetzes. Die Person sei aber "regelmäßig für den ORF tätig und wird somit als ORF-Repräsentant/in wahrgenommen". Deshalb gelte auch für sie der Verhaltenskodex, auch ihre Nebenbeschäftigungen "müssen auf Vereinbarkeit mit dem Verhaltenskodex überprüft werden". Und: "In jedem Fall ist sicherzustellen, dass er/sie keine Beiträge anmoderiert, die in thematischem Zusammenhang mit seiner/ihrer Werbetätigkeit stehen."

Kodex auch für Moderatoren

Per interner Mitteilung verordnete ORF-Chef Alexander Wrabetz auf Anregung des Ethikrats, dass der Kodex auch für Nichtjournalisten und Nichtjournalistinnen gilt, die aber in der Öffentlichkeit als Repräsentanten des ORF wahrgenommen würden - also etwa für Moderatoren regelmäßiger Sendungen.

Kein Kampagnenjournalismus

Noch einen Grundsatzbeschluss betont der Ethikrat in seinem Jahresbericht: Auch bei ORF-Schwerpunkten - wie zuletzt "Mutter Erde" - sei "darauf zu achten", dass es "in Nachrichtensendungen keine Platzreservierungen geben kann und darf, und jedenfalls der Eindruck von Kampagnenjournalismus vermieden werden muss".

Hauptjob: Nebenjobs

Die meisten Fälle im Jahresbericht betreffen Nebenbeschäftigungen von ORF-Mitarbeitern - hier geschlechtsneutral gemeint als Person oder ORF-Mitarbeiter beschrieben

  • Ein Kulturverein bat um die Moderation einer Veranstaltung, die dann allerdings als Parteiveranstaltung promotet wurde. Die gebuchte Person sagte die Moderation daraufhin ab.

  • Eine Agentur vermittelte einen ORF-Mitarbeiter für eine Moderation - die sich laut Bericht (ohne Wissen von Gebuchten und genehmigendem Vorgesetzten) als Parteiveranstaltung herausstellte. Der Ethikrat verlangt "unbedingt Vorsorge", dass die Regulative auch gelten, wenn sich Mitarbeiter von Agenturen managen lassen.

  • Einem Mitarbeiter wurde genehmigt, den Festakt eines Ministeriums zu moderieren. Der Ethikrat warnt dazu: "Die Moderation eines Festakts eines Ministeriums ist immer problematisch. Aus dem Nebenbeschäftigung-Genehmigungsantrag ging allerdings nicht hervor, dass es sich um die Moderation eines Ministeriumsfestakts handelt, sondern es ist der Eindruck erweckt worden, es sei die Moderation einer Fachdiskussion." Aber schon das "nicht ausreichend ausgewogene" Podium der Fachdiskussion hätte zu einer Ablehnung führen müssen, finden die Räte.

  • Einem ORF-Mitarbeiter wurde die Moderation für einen Event einer Standesvertretung genehmigt - über deren Themen die Person regelmäßig berichtet. Begründung: Die Person ließe sich doch dadurch "nicht korrumpieren". Dem Ethikrat reicht dieses Vertrauen nicht: Werde ein ORF-Journalist für eine unkritische Repräsentationsveranstaltung von jemand bezahlt, über den er regelmäßig berichtet, könne der Eindruck entstehen, dass das die strikte Unabhängigkeit der Person "trübt". Der Rat verlangt "besondere Sensibilität" bei der Prüfung vor dem Genehmigen.

  • Eine ORF-Stimme als Warteschleife eines Polizeinotrufs: Da warnt der Ethikrat vor dem "zwangsläufigen" Eindruck einer "zu nahen Verbundenheit".

  • Ein Hauptabteilungsleiter und Moderator moderierte die Eröffnung einer Firmenzentrale. Dieselbe Firma ist Sponsorin (Patronanz) einer von dieser Person verantworteten und moderierten Sendung. Der Ethikrat warnt vor dem "Eindruck, dass mit der Patronanz einer Sendung zusätzliche Leistungen von ORF-Repräsentanten miterworben werden können".

  • Die ORF-Vermarktungstochter Enterprise vermittelte offenbar einem ORF-Mitarbeiter die Moderation einer Produktpräsentation. Der Ethikrat stellt klar, dass die Regeln im Ethikrat auch für Nebenjobs gilt, die ORF-Töchter vermitteln - nämlich: "Produktpromotion ist in der Regel mit dem Verhaltenskodex unvereinbar."

  • Der Ethikrat erinnert, dass auch bei Medienpartnerschaften des ORF "natürlich zu gewährleisten ist, dass dadurch die journalistische Unabhängigkeit und Eigenverantwortung nicht beeinträchtigt wird." Eine so partnerschaftliche Podiumsdiskussion moderierte ein Sendungsmoderator, in dessen Sendung über die Veranstaltung berichtet wurde.

  • Die Prinzipien gelten quasi auch umgekehrt, schildert der Rat an diesem Beispiel: Ein Sendungsverantwortlicher tritt als Buchautor in der von ihm verantworteten ORF-Sendung auf. Der Eindruck sei zu vermeiden, "die Gestaltung könnte von persönlichen Interessen beeinflusst sein". Hier sei zumindest klarzustellen, welche Funktion der oder die Betreffende hat und warum er trotzdem als Experte in der Sendung ist. (fid, derStandard.at, 2.8.2014)