Graz - So schnell ändern sich Perspektiven: Letzte Woche wurde in Wien der deutsche Anti-Akademikerball-Demonstrant Josef S. verurteilt, weil der Richter den Aussagen eines Polizisten, der als Belastungszeuge auftrat, vertraut hatte. Konträr verlief jetzt ein Prozess im Grazer Landesverwaltungsgericht, wo es ebenso um die Folgen einer Demonstration - gegen den dortigen Grazer Akademikerball im Februar - ging.

Hier glaubte der Richter der Polizei kein Wort und gab dem Demonstranten Max K., der sich wegen Polizeiwillkür beim Verwaltungsgericht beschwert hatte, recht. Max K. hatte behauptet, ihm sei während der Grazer Demo von einem Polizisten die Videokamera abgenommen und die Filme gelöscht worden. Stimmt nicht, hatte die Polizei vor Gericht entgegnet, die Kamera sei unter Transparenten gefunden worden, der Demonstrant müsse sie wohl verloren haben. Es sei daran nicht manipuliert worden. Max K. hatte allerdings den Datenforensiker Uwe Sailer engagiert und der IT-Experte, der in Oberösterreich bei der Polizei tätig ist, hatte noch Reste der Daten sichern können, die den Grazer Richter Erich Kundegraber offenbar überzeugten.

"Von der Polizei gelöscht"

Sailer konnte anhand von Film- und Tonsequenzen darstellen, dass die Kamera nicht auf den Boden gefallen sein kann - wie von der Polizei behauptet -, sondern in einer Tasche transportiert worden sei, zumal sehr nahe auch Funkverkehr zu hören war. Es sei "ohne Zweifel erwiesen", dass die Kamera "von einem Polizeibeamten abgenommen wurde und daraufhin sämtliche auf der Kamera befindlichen Daten von der Polizei gelöscht wurden", und dies sei eindeutig "rechtswidrig", befand Richter Kundegraber in seinem schriftlichen Urteil, das jetzt dem STANDARD vorliegt.

"Verletzt Grundrecht"

Die Abnahme der Kamera und die Datenlöschung, die auch private Filme betroffen habe, seien ein "absichtlicher, gröblicher Eingriff in das Privatleben" gewesen, ohne triftigen Grund. Die gewählte Vorgangsweise sei zudem "von einem präventiven Obrigkeitsdenken" geprägt und verletze "das Grundrecht auf Privatleben", rügt der Richter und stellt allgemein fest: "In einer demokratischen Gesellschaft muss es möglich sein, dass Amtshandlungen, insbesondere im Rahmen der Sicherheitsverwaltung (in concreto bei Versammlungen), filmisch festgehalten werden, dies auch unter Bedachtnahme einer möglichen Überprüfung des Vorgehens der Teilnehmer und Polizeibeamten".

Das Innenministerium hat nun die Verfahrenskosten in der Höhe von 1673,90 Euro zu bezahlen. In der Landespolizeidirektion Steiermark hieß es auf STANDARD-Anfrage, es werde ein Einspruch überlegt, der Fall werde aber in jedem Fall disziplinär intern geprüft. (Walter Müller, DER STANDARD, 1.8.2014)