Die letzten Tage der Menschheit laufen eben auf dem Theater, die vorletzten Zuckungen einer Koalition in Selbstblockade als Schmiere in der Realität. Der bizarre Auftritt Mikl-Leitner'scher Heerscharen gegen 19 - in Worten: neunzehn - Punks unter dem Motto "Die Polizei, der Freund und Helfer des Immobilienhais" wäre ja nicht zu erklären, und wenn Wiens Polizeipräsident diesbezügliche Versuche an noch so langen Haaren herbeizieht, vernachlässigt man den aktuellen politischen Gesamtzusammenhang. Es ist ja schön, dass diesmal so viele Polizisten, ohne sich in der großen Stadt zu verirren, in die Mühlfeldgasse gefunden haben, aber dieses Bürgerkriegsszenario war eine Botschaft an weit mehr Menschen als an die besagten 19.

Dahinter steht das Imponiergehabe politischer Zwerge, die sich in den Augen einer Bevölkerung endlich einmal demonstrativ den Respekt verschaffen wollten, den anders zu erwerben sie immer weniger imstande sind. An die Adresse der paar Punks war die Mobilmachung sicher nicht gerichtet, die hätten sich auch vor weniger Polizisten nicht wirklich gefürchtet und genau so verbarrikadiert. Es war ein Machtrausch auf Kosten der Steuerzahler, der die zunehmende Ohnmacht der Regierenden auf anderen, wichtigen Gebieten übertünchen sollte. Es kann ja kein Zufall sein, dass man Probleme mit Hausbesetzern in früheren Zeiten ganz anders, jedenfalls weit weniger überschießend gelöst hat, als das in der "Pizzeria Anarchia" der Fall war. Da wurde aber noch regiert.

Der staatlich geschützten Immobilienspekulation und der Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen, wie in diesem Fall, steht seit Jahren die Unfähigkeit gegenüber, endlich zu einer humanen Asylpolitik zu finden. Ist es Zufall, dass auch dafür die für Polizeieinsätze zuständige Ministerin nicht allein-, aber letztverantwortlich ist? Als wäre es bloß ihr Verdienst, preist die Politik gern Österreich als eines der reichsten Länder Europas. Aber sobald es gilt, ein paar Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, was in wesentlich ärmeren Zeiten kein Problem war, gibt man sich heute überrascht von einer Entwicklung, die lange vorauszusehen war, und verstrickt sich in ebenso peinliche wie kleinliche Streitereien, aus denen schon der als Sieger hervorgehen will, der verspricht, in Zukunft wenigstens 90 Prozent eigentlich vereinbarter Quoten erfüllen zu wollen. Am peinlichsten der niederösterreichische Landeshauptmann, wenn er sich polternd als Erlöser Traiskirchens geriert, damit die Problematik in seinem Bundesland aber nur verschärft, statt sie zu lösen, und sich auf dem Rücken von Flüchtlingen für eine Präsidentschaftskandidatur aufwärmt.

Dabei ist von einem Ansturm von Asylsuchenden derzeit keine Rede. Die Problematik hat sich nicht verschärft. Vergrößert hat sich die Trägheit - und die Angst vor einer FPÖ, die mit Fremdenfeindlichkeit ihr politisches Geschäft betreibt. Statt dem entschlossen entgegenzutreten, arbeiten Rot wie Schwarz ihr dabei zu und machen sie so zur stärksten Partei. Dieses Problem lässt sich mit einem noch so großen Polizeiaufgebot nicht lösen. Da wäre schon Politik gefragt. (Günter Traxler, DER STANDARD, 1.8.2014)