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Hightech aus Italien auf dem Weg zu einer russischen Ölraffinerie in Sibirien.

Foto: REUTERS/Ilya Naymushin

Wien - Gebannt warteten Analysten am Mittwoch auf die Reaktionen vom russischen Finanzmarkt. Am Dienstagnachmittag, der Handelstag war schon gelaufen, hatte sich die EU dazu durchgerungen, erstmals echte Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen. Neben den großen Staatsbanken wird die Union auch die Öl- und Waffenindustrie des Landes ins Visier nehmen. Wie also würden die Investoren an der Moskauer Börse reagieren?

Von Panik war jedenfalls keine Spur, im Gegenteil, es herrschte Kauflaune. Der russische Leitindex (MICEX) legte zu. Der Rubel erstarkte gegenüber dem US-Dollar, und selbst Aktien von sanktionierten Geldhäusern wie der staatlichen Sberbank waren gefragt.

Kurzfristige Trends am Markt sind zwar nicht sehr aussagekräftig. Doch die Reaktionen machten deutlich, dass offenbar viele Investoren mit drastischeren Sanktionen durch die EU gerechnet hatten. Dieser Eindruck dürfte sich mit neuen Informationen, die aus Brüssel durchsickerten, nur verstärkt haben. Am Mittwoch wurden die juristischen Details des Sanktionstextes abgesegnet. Für Donnerstag ist die Veröffentlichung geplant.

Tochtergesellschaften nicht betroffen

Aus dem Kleingedruckten geht aber hervor, dass die EU sowohl sich selbst als auch Russland einige Hintertüren offen lässt. Die Sanktionen sind laut Experten eher ein Schuss vor den Bug als schon ein Wirtschaftskrieg.

Ein Beispiel aus dem Bankensektor: Russische Geldhäuser, die mehrheitlich in Staatseigentum sind, werden vom europäischen Kapitalmarkt ausgeschlossen. Die Maßnahmen zielen auf die Sberbank und auf die Investmentbank VTB ab. Investoren wird untersagt, in Wertpapiere (Anleihen, Aktien) der Geldhäuser mit einer längeren Laufzeit zu investieren.

Ausnahmen im Finanz- und Energiesektor

Doch es gibt Ausnahmen. So gilt das Investmentverbot nicht für Tochtergesellschaften russischer Banken in der EU. Davon profitieren dürfte vor allem die Sberbank. Das Institut, das aus Wien seine regionalen Geschäfte führt, ist Marktführer in Osteuropa. Diese Ausnahmen im Finanzsektor waren auch Österreich ein Anliegen. Denn die Sberbank ist Eigentümerin der türkischen Denizbank, die in Österreich offensiv um Neukunden wirbt. Nach eigenen Angaben hat das Geldhaus 155.000 Kunden. Die Spareinlagen belaufen sich auf 3,3 Milliarden Euro, weshalb die heimische Finanzaufsicht kein Interesse daran hat, dass das Institut ins Gerede kommt.

Auch im Energiesektor fallen die Sanktionen enger als gedacht aus. So ist etwa der Gassektor dem Vernehmen nach völlig ausgenommen. Einzig beschränkt werden soll die Ausfuhr "sensitiver Technologien" nach Russland, die für Ölbohrungen in der Arktis und für Erdölgewinnung mittels der umstrittenen Fördermethode Fracking gebraucht werden. "Die großen Einschränkungen für die Produktion in Russland sehe ich dadurch nicht", sagt der Erdölexperte Michael Prohaska von der Montanuni Leoben.

Kein Einbruch im Ölgeschäft

Die Ölförderung in der Arktis sei zwar technologisch herausfordernd, spiele für Russland aber noch eine untergeordnete Rolle. Fürs Fracking sei eine komplexe Technologie gar nicht notwendig. Solange die großen US-Serviceunternehmen wie Schlumberger Oil und Halliburton weiter in Russland arbeiten können, um Felder zu erschließen, brauche Russland nicht viel zu befürchten, so Prohaska.

Russland nahm die Sanktionen dennoch nicht gelassen auf. Die EU-Politik werde "unweigerlich höhere Energiepreise in Europa zur Folge haben", erklärte das russische Außenministerium. Auch die in Russland tätigen Banken aus der Europäischen Union müssten negative Folgen fürchten, hieß es.

Trotz der beschwichtigenden Expertenmeinungen gab es am Mittwoch auch erste harte Kritik an den Sanktionen von Unternehmensvertretern. "Was glauben die Politiker eigentlich? Dass Putin nun reumütig einbekennt, dass er einen Fehler gemacht hat?", sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl dem Standard. "Das Gegenteil wird passieren. Die Fronten werden sich verhärten", prophezeite er. Leitl rechnet mit einem Rückgang der österreichischen Exporte um 20 Prozent nach Russland - wobei dafür freilich auch die schwächere Konjunktur in Russland verantwortlich ist. Insgesamt exportierte die EU 2013 Waren im Wert von 120 Milliarden Euro nach Russland. Auf Österreich entfielen 3,5 Milliarden. (András Szigetvari, DER STANDARD, 31.7.2014)