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Das als Mittel der Verhetzung verdächtigte Plakat - neben weiteren Inschriften, die die rund 150 Abtreibungsbefürworter vergangenen Freitag Weihbischof Andreas Launs Gebetszug für das Leben entgegenhielten.

Salzburg - Für den 19-jährigen Tourismusschüler Simon H. war es "eine ziemlich entsetzliche Erfahrung". Nach der Teilnahme an einer von der Aktion Kritischer Schülerinnen und Schüler mitorganisierten "komplett friedlichen Demonstration" mit rund 150 Teilnehmern und ohne zu ahnen, dass sie gegen ein Gesetz verstoßen haben könnten, seien er und rund 15 andere Jugendliche vergangenen Freitag beim Eisessen "von drei Polizeieinsatzwägen eingekesselt" worden.

Ein Pulk von "rund zehn Polizisten" habe ihn und eine Freundin festgenommen, dann, nach einer Durchsuchung, mit Blaulicht ins nächste Polizeianhaltezentrum gebracht. Dort seien beide erkennungsdienstlich behandelt und einvernommen worden.

Drei Stunden befragt

Erst nach drei Stunden hätten sie gehen dürfen, auf freiem Fuß wegen Verhetzung laut Paragraf 283 StGB angezeigt: aufgrund des Plakats, das H. und die junge Frau bei der Demo gegen den vom Salzburger Weihbischof Andreas Laun angeführten "1000 Kreuze für das Leben"-Gebetszug in die Höhe hielten.

Auf diesem Plakat ist ein provokanter Spruch zu lesen, der die emotional geführten Auseinandersetzungen um Fristenlösung und Abtreibungsrecht seit Jahrzehnten begleitet: "Hätte Maria abgetrieben wärt ihr uns erspart geblieben."

"Recht auf Meinungsäußerung"

Dutzende Male habe sie selbst miterlebt, dass Abtreibungsbefürworter diesen Slogan Abtreibungsgegnern entgegengehalten hätten, erinnert sich die frauenbewegte Wiener Anwältin Gabriele Vana-Kowarzik. Nie seien Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des Wortlauts eingeschritten: "Diesen Slogan bei einer Demo zu verwenden gehört für mich zum Recht auf freie Meinungsäußerung."

Im Jahr 2014 sieht das die Salzburger Polizei anders: Der Verdacht, dass die Maria-Plakate zur Hetze auf christliche Abtreibungsgegner aufrufen würden, sei von der polizeilichen Beobachtertruppe gekommen, die während der Abtreibungsbefürworter-Demo am 25. Juli gefilmt habe, schildert eine Sprecherin der Landespolizeidirektion.

Insgesamt zehn Festnahmen

Nach Demo-Ende - Launs von rund 80 Personen besuchter Pro-Leben-Gebetsmarsch durch die Salzburger City startete erst zwei Stunden später - habe man die Transparente-Träger, Simon H. und Freundin, daher dingfest gemacht. Später habe es noch acht Festnahmen wegen Verhetzungsverdachts und Verdachts der Herabwürdigung religiöser Lehren gegeben: Einzelne Abtreibungsbefürworter hätten den Gebetsmarsch mit den inkriminierten Maria-Plakaten zu stören versucht.

Deren Wortlaut schätzt Markus Neher, Pressestellenleiter bei der Staatsanwaltschaft Salzburg, als eindeutig verhetzend ein. Als gleichzeitig Sonderzuständiger für politische Delikte, "also künftig wohl auch für diesen Fall", warte er zwar noch auf den polizeilichen Schlussbericht. Doch dass der Maria-Slogan "die Daseinsberechtigung gläubiger Christen infrage stellt" und daher, wie Paragraf 283/2 besagt, ihre "Menschenwürde verletzt", sei für ihn "offensichtlich".

Funk kritisiert Einsatz

"Nur weil etwas seit Jahrzehnten üblich ist, ist es noch lange nicht legal", widerspricht Neher dem Argument vom altbekannten Maria-Spruch. Tatsächlich sei die Staatsanwaltschaft zuständig, um einzuschätzen, ob in diesem Fall Verhetzung vorliege, meint dazu der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk: "Ich glaube eher, dass nein." Ganz sicher aber sei er, "dass der Polizeieinsatz gegen Simon H. und Freundin überschießend war. Eine Identitätsfeststellung hätte hier voll ausgereicht." (Irene Brickner, DER STANDARD, 30.7.2014)