Nicht Katzenhaare, sondern die im Speichel enthaltenen Eiweiße lösen die allergische Reaktion aus.

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Berlin - Auf eine ziemlich abstruse Idee kamen Forscher aus San Diego: Sie züchteten hypoallergene Katzen, damit auch Katzenallergiker "endlich die Liebe und Gesellschaft eines Haustiers genießen können", steht auf der Homepage. "Glauben Sie keinem, der Ihnen so eine Katze verkaufen will", warnt Karl-Christian Bergmann, Allergologe an der Uniklinik Charité in Berlin. "Die haben weniger Allergie auslösende Stoffe, sind aber nicht frei davon."

Jeder zehnte Mensch in Europa reagiert allergisch auf Katzen. Stefan Wöhrl, Allergologe am Floridsdorfer Allergiezentrum (FAZ) in Wien, sieht täglich eine Handvoll Patienten. "Die leiden sehr darunter", erzählt er, "ihre Augen sind rot und jucken, die Nase läuft, und sie werden von Niesattacken geplagt. Viele leiden zusätzlich unter anfallsartiger Atemnot wie bei Asthma."

Inzwischen haben Forscher acht Allergie auslösende Stoffe (Allergene) identifiziert, die in Hautschuppen, Blut und Urin von Katzen vorkommen. Bis zu 90 Prozent der Patienten sind gegen das Eiweiß Fel d 1 allergisch, das in Speichel und Talgdrüsen enthalten ist. Durch eifriges Putzen und Lecken verteilen Katzen Fel d 1 auf ihr Fell. Über feine Haut- und Haarschüppchen gelangen die Allergene in die Luft. "Der Speichel enthält so viel Fel d 1, dass dies beim Lecken in die Haut dringen kann", erklärt Thomas Kündig, Allergieforscher an der Uniklinik Zürich.

Katze und Schwein

Sein Kollege Karl-Christian Bergmann schätzt, dass jeder zweite Katzen-Allergiker nie eine eigene Katze besessen hat. "Das liegt daran, dass Katzenbesitzer die allergiebelasteten Katzenhaare an alle möglichen Orte bringen und die Allergene sich in der Luft ausbreiten", erklärt er. Bis zu 40 Prozent der Patienten reagieren zusätzlich allergisch auf Fel d 2 und bis zu 60 Prozent auf Fel d 4; bei den anderen Allergenen ist die Häufigkeit noch nicht bekannt.

Der bekannte Allergieforscher Thomas Platts-Mills von der University of Virginia in den USA erzählte kürzlich beim Europäischen Allergiekongress in Kopenhagen, wie er auf eine neue Art von Katzenallergie kam: Ein 52-Jähriger kollabierte, nachdem er Schweinefleisch gegessen hatte. Eine 14-Jährige litt regelmäßig nach Schweinefleisch unter Übelkeit und Erbrechen. Platts-Mills fand noch weitere Patienten mit ähnlichen Symptomen und stellte fest: Die Betroffenen sind allergisch gegen Fel d 2, sie haben das "Pork-cat-Syndrom". Fel d 2 kommt nämlich nicht nur in Katzen vor, sondern auch im Schweinefleisch. Hat jemand eine Allergie gegen Fel d 1 und Fel d 2, kann er Asthmaanfälle bekommen und zusätzlich Bauchweh beziehungsweise einen allergischen Schock nach dem Verzehr von Schweinefleisch.

Bis jetzt bleibt Fel d 1-Allergikern nichts anderes übrig, als Katzen zu meiden. "Viele wollen ihr Haustier nicht weggeben und nehmen lieber starke Asthmamedikamente", sagt Stefan Wöhrl vom FAZ. Es gäbe zwar eine Immuntherapie, davon rate er aber ab, "zu viele Nebenwirkungen". Sein Kollege Kündig empfiehlt sie nur in Ausnahmefällen, etwa Tierärzten, die Katzen nicht meiden können. Bei der Immuntherapie bekommt der Patient über mehrere Jahre große Mengen Katzenhaarextrakt unter die Haut gespritzt, bis sein Immunsystem nicht mehr überempfindlich reagiert. "Die Extrakte sind leider schlecht standardisiert", sagt Kündig. In manchen ist viel Fel d 1 enthalten, in anderen weniger. "Im ersten Fall bekommt der Betroffene Nebenwirkungen, etwa Asthmaanfälle. Im zweiten Falle wirkt die Therapie nicht, weil sich das Immunsystem mit Fel d 1 nicht genügend auseinandersetzen kann."

Bessere Immuntherapien gesucht

Forscher auf der ganzen Welt seien intensiv dabei, bessere Immuntherapien zu entwickeln, versicherte Cezmi Akdis in Kopenhagen, Direktor des Christine-Kühne-Zentrums für Allergieforschung in Davos. Interessant findet er die Idee, eine Impflösung in Lymphknoten zu spritzen, weil das weniger Nebenwirkungen verursachen könnte. Gut hätten in ersten Studien auch Immuntherapien gewirkt, bei denen die Forscher nicht den gesamten Extrakt mit Allergenen spritzen, sondern nur Teile.

Das löst eine andere Immunantwort aus, die offenbar besser wirkt. Kündig zweifelt jedoch, ob das auf Dauer funktioniert. "Der Körper stellt dabei nicht die schützenden Antikörper her, die für eine dauerhafte Gewöhnung an das Allergen notwendig sind." Er und sein Team setzen auf eine Impfung der Katzen selbst.

"So werden die Allergene schon in der Katze abgefangen." Wolfgang Hemmer, Allergieforscher am FAZ, schwebt eine "individualisierte Immuntherapie" vor. "Es wäre ideal, wenn wir Patienten nur die Allergene spritzen könnten, gegen die sie allergisch sind", sagt er. "Studien hierzu sind teuer, weil diese Impflösungen wie Medikamente zugelassen werden müssten. Ob sie wirken, wird man erst in einigen Jahren wissen." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 29.7.2014)