Angela Merkel ist 60 Jahre alt geworden. Die Geburtstagskommentare waren durchwachsen, stimmten in einem Punkt jedoch überein: Die deutsche Kanzlerin dominiert nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische Politik.

Deshalb erscheinen Spekulationen über ein Ende der Ära Merkel deplatziert. Sie kann, sollte sie das wollen, noch eine Legislaturperiode anhängen, weil die Wählerinnen und Wähler sie wohl auch bei den nächsten Bundestagswahlen bestätigen würden.

Der Grund liegt in einer für die seinerzeit Bonner, jetzt Berliner Politik eher ungewöhnlichen Regierungskonstruktion - der Großen Koalition, in der sie sich sichtlich wohlfühlt. Mit den Freien Demokraten, der FDP, wirkte sie immer ein bisschen sauer. So als wäre sie in der falschen Gesellschaft, als würde ihr das Menü der anderen nicht schmecken. Mit der SPD hat sie mehr Gemeinsamkeiten als mit der CSU in München. Siehe Mautvorschläge.

In Österreich ist die Koalition aus SPÖ und ÖVP so zerrüttet, dass vor wenigen Tagen der Bundespräsident in einem Interview mit den sogenannten "Bundesländerzeitungen" einen Zuckerguss über die andere Seite des Wiener Ballhausplatzes schüttete. Diese Regierung sei doch viel besser als der von ihr selbst produzierte Ruf, ließ Heinz Fischer die Öffentlichkeit wissen. Der Mann in der Hofburg hat diese Art der Regierungskonstellation am liebsten und ärgert sich, wenn über Neuwahlen mit instabilem Ausgang spekuliert wird.

Und es passt ihm gar nicht, dass er in der Innenpolitik ein Stück jener Rolle spielt, die Merkel in guter Abstimmung mit dem deutschen Bundespräsidenten ausfüllt. Fischer belässt es nicht dabei, nur die Probleme der Republik zu nennen, er gibt auch einigen europäischen Fragen eine österreichische Antwort. Siehe Ukraine und Putin. Oder das Zeichen seiner Reise nach Sarajevo zum Gedenken an die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand im Jahr 1914.

Wobei die rednerische Fadesse Fischers gar nicht so auffällt, weil seine Ansprachen inhaltlich viel besser sind als die der beiden Ausnahmerhetoriker an der Spitze der Regierung.

Deshalb ist es auch für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gar nicht so schwer, als Feschak, der rhetorisch hinter seinem Vorgänger Jörg Haider zurückfällt, zu punkten.

Seit der Abwahl von Wolfgang Schüssel hat die politische Nomenklatur Österreichs keine Figur produziert, die als Regierungspolitiker(in) "die Messe liest" und sich deshalb auch in der EU Gehör verschaffen würde.

Starke, charismatische Persönlichkeiten können die Kleinheit eines Landes überstrahlen. Siehe Jean-Claude Juncker, der neue Kommissionspräsident aus Luxemburg. Selbst einen Franz Fischler, der als EU-Kommissar die Agrarpolitik umgekrempelt hat, haben wir nicht mehr. Und einen Erhard Busek nicht nach Brüssel geschickt zu haben ist einer der großen Fehler gewesen.

Zu Hause in Wien würden selbst größere Kompetenzen für den Kanzler (und den Vize) deren politische Kraft nicht steigern. Es fehlt ein(e) "Merkel". (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 28.7.2014)