Unter Militäraufsicht: eine Exkursion von österreichischen und ungarischen Presseberichterstattern an die Isonzofront. Das k. u. k. Kriegspressequartier ließ ein angemessenes Fahrzeug requirieren.

Foto: Österreichisches Staatsarchiv

Als Grundlage der Einrichtung des k. u. k Kriegspressequartiers (KPQ) - unter Leitung des Obersts Maximilian von Hoen (1867-1940) - und aller der mit diesem assoziierten Organisationseinheiten diente eine bereits 1909 erlassene Mobilisierungsinstruktion, in der Organi sation und Wirkung im Dienste des Generalstabs festgeschrieben wurden. Als Instrument der Pressepolitik sollte das direkt dem Armeeoberkommando zu unterstellende Kriegspressequartier zur kontinuierlichen Nachrichtenversorgung und Kontrolle der Presse dienen. Vorgesehen war 1909 die "Aufnahme von Vertretern […] der in- und ausländischen Presse", die nur im Ausnahmefall wehrpflichtig sein sollten. An die Vertreter anderer künstlerischer und medialer Disziplinen war noch nicht gedacht.

Einbindung in militärische Strukturen

Somit ging es anfangs lediglich um die Print- als Leitmedien, wofür Journalisten und namhafte Schriftsteller herangezogen wurden. Doch das KPQ war mehr als ein Reisebüro der Kriegsberichterstattung. Durch deren Einbindung in die militärischen Strukturen verfolgte das Armeeoberkommando - durch "drakonische Verordnungen, großzügige Gastfreundschaft und ein kluges Entgegenkommen" - das Ziel, Einfluss und Kontrolle auszuüben.

Im Gegenzug wurde den Journalisten und Schriftstellern ein staatlich-militärisch legitimiertes Podium geboten, von dem aus sie mit ihren Texten Einfluss auf die Gesellschaft nehmen konnten. Prominente (teilweise temporäre) Mitglieder des KPQ waren unter anderen Alexander Roda Roda, Egon Erwin Kisch, Franz Molnár, Karl Hans Strobl, Franz Blei, Paul Busson, aber auch Alice Schalek, Ludwig Ganghofer und Sven Hedin. Nicht zum KPQ ressortierende Literaten wie Franz Werfel oder Hugo von Hofmannsthal (der im Kriegsfürsorge-Amt saß) machten in dessen Auftrag oder mit dessen Billigung Vortragsreisen ins neutrale und befreundete Ausland oder in besetzte Gebiete, verfassten Essays und extrapolierten Standpunkte für ihre jeweiligen Zielgruppen.

Ausweitung des Medienkriegs

Mit Fortdauer des Krieges bündelte man im KPQ alle damals zur Verfügung stehenden medialen Ausdrucksformen und entwickelte eine völlig neue Form der Informations- und Propagandapolitik. Zur journalistischen Berichterstattung durch die Pressegruppe und (auch ausländische) "Embedded Journalists" traten die Disziplinen Malerei, Fotografie, Film und Theater, das Ausstellungs- und Vortragswesen sowie die Bildhauerei in den Dienst an der Heimat- wie Kriegsfront ein. Damit erfasste das KPQ auch wesentlich das bildhafte Bewusstsein vom Krieg und seinen Notwendigkeiten.

Zusätzlich wurde die "Feindpropaganda" zum Zwecke der Gegensteuerung beobachtet, eine eigene "Frontpropagandagruppe" gebildet, es wurden Zeitungen produziert, mannigfache sonstige Periodika und Broschüren herausgegeben. In- wie ausländische Pressespiegel sowie die Ausübung der militärischen Zensur verstanden sich von selbst. Überdies organisierte das KPQ die Truppenbetreuung vermittels Theatergruppen, Tonkünstlern, Feldkinos, Lesungen u. v. m. Kurzum: Das KPQ schuf und verwaltete auf vielen Ebenen einen systemischen Medienverbund und ermöglichte die Kriegsführung auch in den Bereichen Information, Kunst und Kultur.

Kunst als Lebensversicherung

Ergänzend, und eng mit dem KPQ assoziiert, wurden im Kriegsministerium ein einschlägig tätiges Musikreferat und im Kriegsarchiv - das sich vor allem der systematischen Erfassung, Information und (auch wissenschaftlichen) Propaganda widmete - eine Literatengruppe eingerichtet. Die Liste prominenter Autoren war auch hier lang, u. a. wurden Franz Theodor Csokor, Albert Ehrenstein, Franz Karl Ginzkey, Robert Musil, Rainer Maria Rilke, Felix Salten und Stefan Zweig hier einrückend gemacht bzw. ließen sich hierhin "vermitteln". Denn viele von ihnen verstanden die "Kunst als Lebensversicherung", um dem Vaterland unter der Mimikry des Kriegsberichterstatters, Kriegs malers oder Kriegsfotografen - und nicht im Schützengraben zu dienen.

Ab 1917 und angesichts einer militärisch immer auswegloseren Lage erfuhr das KPQ eine Weiterentwicklung und Ausweitung seiner Agenden. Es herrschte Krieg - und sein Pressequartier war der effizienteste Hebel im Kampf um die mediale Lufthoheit. Der passende Mann für die straffe Neuausrichtung und organisatorische Ausdifferenzierung stand parat und im März 1917 löste der Oberst des Generalstabes Wilhelm Eisner-Bubna (1875–1926) Maximilian von Hoen als Kommandant ab. In seiner Dienstordnung vom Juli 1917 wurde das KPQ schließlich als Mittel der Propaganda deklariert: "Pressedienst ist Propagandadienst. Beide gehören zu den wichtigsten Mitteln, das Ansehen der Wehrmacht im In- und Auslande zu heben." Doch trotz aller Anstrengungen funktionierte es keinesfalls stets 1:1 so, wie Organisationen und Führungsebenen dies anstrebten und erwiesen Medien mitunter ihren Eigensinn.

1918 war das mittlerweile höchst diffizil verwaltete und nach viereinhalb Jahren auf rund 900 Mitarbeiter angewachsene Kriegspressequartier die zentrale Mediendrehscheibe der Monarchie, sodass nach dem Vorbild anderer kriegsführender Staaten sogar an die Umgestaltung in ein "k. u. k. Informationsministerium" gedacht wurde. Der Ausgang des Krieges kam dem jedoch zuvor.

Kriegsmedien und die Folgen

Das KPQ war eine Retortengeburt der Militärverwaltung, ihre Nährlösung wesentlich aus Ideen des 19. Jahrhunderts destilliert; unter dem Druck der Geschichte wurde es zugerichtet für einen Krieg im 20. Jahrhundert. Doch weder hatte man von diesem Krieg auch nur die mindeste Vorstellung noch vom 20. Jahrhundert. Aus dieser zum Teil fast schon unbeabsichtigt sich ergebenden Mischung von militärischem Kontroll- nebst Größenwahn und verwaltender Medienintelligenz abseits einer Ahnung von den Komplexitäten, an die man hier rührte, bezogen das KPQ und seine Strukturen ihre Bedeutung.

Es wurde zusammenverordnet, was so nicht zusammenpassen konnte. Missverständnisse und Unverständnis konnten jedoch nicht verhindern, dass in diesen Institutionen eine Kulturgeschichte sowohl der Verwaltung als auch der Medien geschrieben wurde, wobei selbst und gerade in diesen verschrammten und kognitiv nicht hinreichend geordneten Strukturen sich erwies, dass so etwas wie eine ganz eigene DNA diesem 20. Jahrhundert eingelagert war: Medien, Verbundsysteme und Verwaltungslogiken.

Neue Effekte im alten Schrecken

In diesem Krieg und durch seine Institutionen wurden - auch daran ist zu erinnern - Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Produzenten, Distribuenten und Konsumenten medial höchst ausdifferenziert für ein Phänomen vorgebildet, das als Moderne der Zwischenkriegszeit (auch) Mediengeschichte machen sollte. Zeitungen, Plakate und Flugschriften, literarische Schriften, Fotos und Gemälde, der Film und auch die Klänge eines Orchesters oder eines patriotisch gesinnten Chors entwickelten in diesem Weltkrieg völlig neue Kommunikationsstränge, Nachrichten veränderten sich technisch-prozessual und die Schrecknisse des Krieges erhielten neue Farben, Rahmen und Querverbindungen, sie waren plötzlich "Stoff", ihre Erscheinungsformen mutierten und neue Effekte stellten sich ein.

Die vom Kriegspressequartier orchestrierten Ensembles aus Technik, Praxis und Diskurs stellen sich heute als Verlassenschaften einer Zeit dar, in der zum ersten Mal demonstriert wurde, wie weitreichend und effizient Medien sich verschränken lassen. Unter der Fahne des Krieges und seiner "Erfordernisse" ging es nicht darum auszureizen, was erlaubt war. Stattdessen war alles möglich, solange die Ergebnisse nur passten. Das KPQ war eine hochorganisierte Medienkrake, die bündelte und zensurierte; mit ihrer Monopolstellung prägte sie schließlich das Bild des Ersten Weltkriegs wesentlich bis in unsere Tage hinauf. Wenn Karl Kraus im Mai 1918 die Verblendungen und Fehleinschätzungen als "Das technoromantische Abenteuer" beschrieb, an dem die Menschheit zugrunde gehen würde, war dies wesentlich auch den Bemühungen des k. u. k. Kriegspressequartiers geschuldet. (Peter Plener/Walter Reichel, DER STANDARD, 26./27.7.2014)