Federn oder Schuppen? Kulindadromeus verfügte über beiderlei, und das lange vor der Zeit der Vögel.

Illu.: Andrey Atuchin

Brüssel - Wer zu spät kommt, den bestraft die Naturgeschichte: Wenn 2015 der lange aufgeschobene vierte Teil von "Jurassic Park" in den Kinos anläuft, dürfte er bereits hoffnungslos veraltet wirken. Denn eines haben die Filmemacher schon vorab klargestellt: Federn sollen ihre Dinosaurier keine haben. Wie grundfalsch diese Entscheidung ist, zeigt ein Fossil, das nun im Fachmagazin "Science" vorgestellt wurde.

Auf den ersten Blick scheint der Fund eines weiteren Dinosaurierfossils mit Gefiederresten nichts Aufregendes mehr zu sein, davon wurden seit den 1990er-Jahren eine Menge gefunden. Die nun in Sibirien freigelegten Schädel und Skelette der Kulindadromeus zabaikalicus benannten Spezies sind aber etwas Besonderes. Denn der etwa 144 bis 169 Millionen Jahre alte Kulindadromeus gehört der "falschen" Dino-Gruppe an.

Verwandtschaftsbeziehungen

Die Dinosaurier gliedern sich in zwei Großgruppen, die Echsenbecken- und die Vogelbeckensaurier, wobei die Vögel und ihre unmittelbare Verwandtschaft paradoxerweise zu den Echsenbeckensauriern zählen. Und alle Dinos, bei denen man bislang Gefiederspuren zweifelsfrei nachweisen konnte, stammen aus dieser Gruppe, zu der unter anderem auch T-Rex und Velociraptor gehören. Nicht so jedoch der auf zwei Beinen laufende und mit seinem langen Schwanz etwa eineinhalb Meter lange Pflanzenfresser Kulindadromeus.

Ein internationales Forscherteam um Pascal Godefroit vom Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften stellte bei den Hautabdrücken der sibirischen Fossilien nicht nur verschiedene Arten von Schuppen an Schwanz und Hinterbeinen fest, sondern auch unterschiedliche Federtypen: Simple, eher haarähnliche Formen wuchsen im Kopf- und Brustbereich, Daunen und Büschel einer längeren Federform, wie man sie bisher noch nicht kannte, an den Gliedmaßen.

Dass Kulindadromeus aufgrund seiner Anatomie eindeutig den Vogelbeckensauriern zugeordnet werden muss, ist ein Hinweis darauf, dass die Entwicklung der "Urfeder" nah am Anfang der Dinosaurier-Evolution gestanden haben könnte - noch bevor sich diese in verschiedene Gruppen aufspalteten.

Ohnehin wird seit langem vermutet, dass Federn ursprünglich nichts mit dem Fliegen zu tun hatten. Sie dienten - ganz so wie bei heutigen Vögeln immer noch - der Wärmeregulierung und vielleicht auch der Signalwirkung, etwa bei der Balz. Erst später entwickelte sich daraus auch der komplexe Aufbau von Schwung- und Steuerfedern, der den Flug ermöglicht: einer der vielleicht folgenreichsten Nebeneffekte in der Geschichte der Evolution.

Neue alte Welt

Wenn so weit voneinander entfernte Tiere wie Kulindadromeus und die Urvögel gefiedert waren, lässt dies den Schluss zu, dass Federn quer durch die Artenvielfalt der Dinosaurier weit verbreitet waren. Die Studienautoren halten es sogar für möglich, dass alle Dinosaurier ein Federkleid trugen.

Das alte Dino-Bild von plumpen, glatthäutigen Drachen hat endgültig ausgedient. Das Erdmittelalter war von hochaktiven, bunten und offenbar auch flauschigen Tieren bevölkert. Hollywood hat jede Menge Stoff für ein Remake in ganz neuer Optik. (Jürgen Doppler, DER STANDARD, 25.7.2014)