Die Installationen des Erinnerungsprojekts "63 Jahre danach", wie jene historische Momentaufnahme von "Mitläufern am Freiheitsplatz 1938", werden wieder abmontiert.

Foto: STANDARD/Müller

Graz - Zehn Tafeln sind es, die dem Grazer FPÖ-Chef Mario Eustacchio ein Dorn im Auge sind - und die er jetzt endlich entfernt wissen will. Es sind jene zehn Installationen, die seit 2010 an mehreren Plätzen in Graz an die Zeit des Naziterrors gemahnen. Mit Texten, Bilddokumenten und historischen Momentaufnahmen von jenen Plätzen, auf denen die Tafeln - sie sind etwas größer als die üblichen städtischen Werbe-Dreieckständer - aufgestellt sind.

Das Land Steiermark hatte dieses Projekt "63 Jahre danach" 2008 beim deutschen, in Irland lebenden Konzeptkünstler Jochen Gerz in Auftrag gegeben, der sich seit Jahren künstlerisch dem Thema "Erinnerungskultur" - zuletzt auch bei den Wiener Festwochen - widmet. Ende Juli sollen die Mahntafeln abmontiert werden. Das Straßenamt, das Stadtrat Eustacchio untersteht, hat einen entsprechenden Abrissbescheid erlassen. Er handle "nur nach formalen Kriterien", argumentiert Eustacchio. Es seien nur "temporäre Kunstwerke", "die Möblierung des öffentlichen Stadtraumes mit zeitgenössischen Kunstobjekten stößt auch an ihre formalen Grenzen. Aus Behördensicht ist eine weitere Verlängerung nicht mehr möglich".

Künstler kritisiert Demontage

Jochen Gerz zeigt sich erschüttert, zumal er die Installationen doch - nach einem Aufruf - auch in Zusammenarbeit mit steirischen Bürgern, Historikern und Landtagspolitikern erarbeitet hatte. Neben den zehn Grazer Tafeln sind in den Bezirken acht weitere installiert worden - wobei sich einige Gemeinden geweigert hatten, die Kunstobjekte aufzustellen.

Jochen Gerz: "Über 5000 Bürger aus der ganzen Steiermark folgten der Einladung zur Teilnahme an '63 Jahre danach'. Die Arbeit zeigte, zu was eine demokratische Zivilgesellschaft fähig ist. Die städtische Vandalisierung der Arbeit zeigt aber auch den Opportunismus und den Klientelismus, zu dem Lokalpolitik imstande ist. Einen Dienst tut die neue rechte Phalanx in der Stadt auch 63 Jahre danach Graz damit nicht."

Dass ausgerechnet das Straßenamt der Stadt den Befehl gebe, vom Land beauftragte, internationale Kunst zu entfernen, zeige "den Stand der Dinge". Das Grazer Straßenamt wolle Kunst verbieten, sagte Gerz in der Kleinen Zeitung, die die Aktion seinerzeit über ihre Leserinnen und Leser begleitet hatte.

Dringlicher Antrag

Kunst- und Kulturinitiativen protestieren jedenfalls heftig gegen die Demontage der Gedenkobjekte, wie auch Grüne, SPÖ und KPÖ, die eine Verlängerung der Genehmigung verlangen. Stadträtin Lisa Rücker (Grüne) hat für Freitag einen dringlichen Antrag im Stadtsenat vorbereitet, mit dem Eustacchio aufgefordert wird, den Abbruchbescheid zurückzuziehen.

Sie wird damit aber keinen Erfolg haben. ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl werde, so hieß es am Donnerstag auf Anfrage des STANDARD in seinem Büro, Stadtrat Eustacchio nicht "overrulen". Es gelte das Ressortprinzip, es wäre ein "Paradigmenwechsel", wenn in die Agenden eines Stadtsenatsmitgliedes "hineinregiert" werde. Eustacchio habe entschieden, und das sei zur Kenntnis zu nehmen. Das Projekt sei ohnehin schon mehrmals verlängert worden.

Eustacchio hat nun - nach den Protesten - eine Alternative parat: Der blaue Stadtrat schlägt vor, die Tafeln in den "Skulpturenpark" am Schwarzlteich an den Grazer Stadtrand zu versetzen.

Der FPÖ-Stadtrat dürfte natürlich wissen: Die Verräumung an den Stadtrand bedeutet auch die Vernichtung des Konzeptes der Gedenktafeln. Denn die Objekte sind exakt für die jeweiligen Erinnerungsorte konzipiert und ergeben nur dort ihren historisch-mahnenden Sinn. (Walter Müller, DER STANDARD, 25.7.2014)