Die "Flora" blüht und gedeiht ...

Foto: Fernando Ramajo

... auf der Flora meretrix kreucht und fleucht es.

Foto: Fernando Ramajo

Wien - Wenn man Gesichter erkennt, wo keine sind, kann das lustig sein. Zwei Fenster und ein verirrter Lichtstreifen als Mund können geradezu Charakter entwickeln. "Dinge mit Gesicht" nennt sich eine Facebook-Gruppe, die den wahrnehmungspsychologischen Reflex der Gesichtserkennung vergnüglich zelebriert. Auf ihm beruht aber auch die ungebrochene Faszination, die von den Bildern Giuseppe Arcimboldos (1526-1593) ausgeht.

Der Italiener gestaltete Kirchenfenster, Bühnen oder Festivitäten. In die Kunstgeschichte ging er aber mit den sogenannten Kompositköpfen ein: mit Büstendarstellungen, auf denen die Köpfe etwa aus Gemüse, Waffen oder Kochgerät zusammengesetzt sind. Die Bausteine seiner doppeldeutigen Stillleben wählte der Maler dabei gezielt. Die Allegorie des Elements Wasser besteht etwa aus Krabben, Fischen oder Oktopoden. In Arcimboldos Arrangements zeigt sich nicht nur anatomische Kenntnis, sondern es schimmert immer auch Witz durch. In Details sind oft Hinweise auf die Auftraggeber versteckt.

In den Kompositköpfen verbindet sich der geöffnete, entgrenzte Körper mit politischen oder philosophischen Untertönen, die von den Auftraggebern mitbestimmt gewesen sein dürften. Manche wirken wie Verballhornungen konventioneller Porträtmalerei, bei der Arcimboldo stets im Schatten seiner Kollegen stand. Unter Maximilian II. und Rudolf II. erfreuten sich die Gemälde des Hofmalers Arcimboldo jedenfalls großer Beliebtheit.

Nur bedingt grotesk sind jene "Floras", die Arcimboldo den Habsburgern zum Geschenk machte, als er nach 25 Dienstjahren nach Mailand zurückkehren durfte, und die zunächst in der Fundación Juan March in Madrid und jetzt im Kunsthistorischen Museum (KHM) - erstmals in ihrer Geschichte - öffentlich ausgestellt sind. Unter dem Titel Arcimboldo: Wiederentdeckt sind die in Privatbesitz befindlichen Gemälde derzeit mit Stücken des KHM vereint - also nach fast 400 Jahren erstmals wieder gemeinsam mit dem Bestand der kaiserlichen Sammlung Rudolfs II. präsentiert.

In Flora (1589) bildet sich aus Blüten und Blättern jene mythologische Figur, die laut Ovid die Welt zum Erblühen gebracht haben soll. Flora bildet ein Paar mit dem ein Jahr später geschaffenen Vertumnus, dem berühmten Porträt des Kaisers als Gott der Jahreszeiten. Das Gedicht eines Freundes, worin sich die mythologische Flora über eine Verwechslung mit einer römischen Kurtisane beklagt, inspirierte Arcimboldo zu seiner zweiten Flora, Beiname meretrix. Das Entstellende ist hier noch stärker aufgelöst als bei ihrer Vorgängerin: Die verwendeten Bausteine sind ganz der Darstellung des schönen Körpers untergeordnet. Dafür kreuchen und fleuchen darauf, teilweise versteckt, Symboltiere des Teufels. (Roman Gerold, DER STANDARD, 22.7.2014)